Aus „Texting“ wird kein Text

Christoph Grissemann und Rocko Schamoni schreiben einander gerne SMS. Warum daraus ein Buch gemacht wurde, versteht Almanach-Autor Fabian Stiepert nicht

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Christoph Grissemann und Rocko Schamoni sind zwei kultivierte Spaßvögel. Ersterer unterhält seit Jahren mit seinem aus Deutschland stammenden Kollegen Dirk Stermann in ihrer gemeinsamen Latenight-Talkshow „Willkommen Österreich“ unser beliebtes Nachbarland, der andere ist als Autor von Bestsellern wie „Dorfpunks“ und als Musiker und Kopf hinter dem Humoristen-Trio Studio Braun aktiv. Beide kennen einander irgendwo her. Woher ist unwichtig. Wichtig ist, dass die beiden einander gern exzessiv, aber in unregelmäßigen Zyklen SMS schreiben. Da ja heute niemand mehr einander Briefe schreibt, hat es sich der Piper Verlag nun zur Aufgabe gemacht den Kurznachrichtenaustausch der beiden in Buchform zu pressen und diesen unter dem dramatischen Titel Ich will nicht schuld sein an deinem Niedergang zu veröffentlichen.

Nun geht man als Leser an dieses Buch heran und denkt, dass diese beiden ansonsten sehr geschätzten Unterhaltungskünstler einander mit Sicherheit einiges, gewichtiges zu sagen haben und dies kunstvoll-kurz in einer auf wenige Worte begrenzten SMS-Nachricht verpacken können. Dem ist aber nicht so. Es gibt mit Sicherheit Verläufe von Whatsapp-Gruppenchats, in denen Hausfrauen Rezepte und Katzenvideos untereinander austauschen und sich spannender lesen als dieses Konvolut aus faden running gags und im Sande verlaufender Vulgarität.

So haben die beiden Simser sich in den Jahren 2012 bis 2015 nichts Anderes mitzuteilen als Wehklagen über den zu niedrigen Kontostand und wie man diesen durch gegenseitige Geldspenden oder den Verkauf von Keller- oder Dachbodenramsch wieder in beruhigendere Regionen führen könnte. Natürlich kann man gar nicht naiv genug sein, um zu glauben, dass Christoph Grissemann wirklich tausend Faschingsmasken im Keller seiner Wiener Wohnung hat. Aber was ist daran witzig solchen Unfug zu behaupten?

Es handelt sich bei Ich will nicht schuld sein an deinem Niedergang einfach um ein unfassbar ärgerliches Buch. Nichts darin funktioniert. Sogar das unnötige Vorwort von Thomas Edlinger ist so schlecht, dass man es jedem Jungpraktikanten der Titanic wutschnaubend auf den Schreibtisch gedonnert hätte. Auch Edlingers sparsam ausfallende Kommentierung des Nachrichtenaustauschs macht die Angelegenheit nicht witziger und trägt nicht einmal etwas zum Verständnis des ganzen Quatschs bei. Vermutlich haben sich Schamoni, Grissemann und Edlinger einfach nur einen dabei abgekichert wie genial sie doch die aussterbende Form des Briefwechsels karikiert haben, indem sie dem ganzen genau den überkandidelt historisierenden wie pseudowissenschaftlichen Rahmen eines Herausgebers verleihen.

Ich könnte es ja noch verstehen, wenn der Piper Verlag diesen ganzen pubertären Murks in der kompakten Version eines Taschenbuchs herausgebracht hätte, aber die Tatsache, dass man für dieses in normalem Lesetempo in weniger als zwei Stunden bewältigte Buch stattliche zwanzig Euro bezahlen soll, treibt den Wahnsinn dieses ganzen Projekts dann doch auf die Spitze. Es stellt sich wirklich die Frage, welcher Mitarbeiter im Piper Verlag dieses zeitweilig fast schon dadaistisch anmutende Scharmützel wirklich witzig fand. Bekennerschreiben nehme ich gerne entgegen.

Christoph Grissemann und Rocko Schamoni: Ich will nicht schuld sein an deinem Niedergang – Ein moderner Briefwechsel

Erschienen beim Piper Verlag

352 Seiten, 20 Euro


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