Der Versuch der Sühne

François Ozon begibt sich mit „Frantz“ auf neues Terrain, um leichtfüßig eine schwere Geschichte zu erzählen

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Als der Franzose Adrien (Pierre Niney, 2. von links) in einer deutschen Kleinstadt auftaucht, sind die Bewohner skeptisch. Das Ende des Ersten Weltkriegs ist noch nicht lange her. (Foto: filmcoopi)

François Ozon ist einer dieser Regisseure, bei denen man aufhorcht, wenn er einen neuen Film herausbringt. Seine Filme begleiten den frankophilen Kinogänger seit Ende der Neunziger (Sitcom) und haben spätestens seit 8 Frauen auch eine breitere Anhängerschaft gefunden. Dabei weiß man vorher nie, ob man nun einen bonbonfarbenen Film mit Catherine Deneuve als singende Kapitalistengattin (Das Schmuckstück) oder einen schweren Film über das Sterben bekommt (Die Zeit, die bleibt). Was aber immer gewiss ist, ist die relativ hohe Qualität seiner Filme. Selbst sein letzter Film Eine neue Freundin, der durchaus durchwachsene Kritiken geerntet hat, ist immer noch sehr viel besser als alles, was dem deutschen Publikum bisweilen sonst aus Frankreich auf der Leinwand geboten wird.

Und nun heißt es gleich doppelt aufhorchen: Ozon hat einen Film in Deutschland gedreht. Der Film heißt Frantz, spielt unter anderem in Quedlinburg und hat eine deutsche Hauptdarstellerin. Weite Teile des Films wurden sogar auf Deutsch gedreht. Hinzu kommt noch, dass der Film meist schwarz-weiß ist und kurz nach dem Ersten Weltkrieg einsetzt. Das klingt zunächst nach schwerer Kost. Ähnlich wie bei The Light Between Oceans (beide waren im Wettbewerb der Filmfestspiele in Venedig zu sehen) werden in Frantz Themen wie Schuld und Vergebung verhandelt (Kritik hier). Doch Ozon inszeniert weniger pompös und dennoch nicht weniger eindrücklich.

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Anna (Paula Beer) interessiert sich für den Fremden, der sich als Freund ihres gefallenen Verlobten Frantz ausgibt. (Foto: filmcoopi)

Paula Beer ist Anna, die nach dem Krieg immer noch bei den Eltern ihres gefallenen Verlobten Frantz lebt, um ihnen eine Stütze zu sein und, wie sich später herausstellt, um sich selbst in einem Starrezustand zu halten. Doch als Adrien aus Frankreich in Quedlinburg auftaucht, wird das Leben der Familie durcheinandergebracht. Nachdem die ablehnende Haltung der Eltern gegenüber Adrien sich auflöst, er als ein guter Freund des gefallenen Sohnes angesehen wird, wird er herzlich in der Familie aufgenommen. Die Eltern blühen regelrecht auf. Diese Momente nutzt Ozon, um im Einerlei des Schwarz-Weiß Farbe aufleuchten zu lassen. Doch der Schmerz aller Beteiligten ist noch zu groß, das Dunkel ist noch zu übermächtig. Anders Anna. Sie lebt im Besonderen auf, und ihre Blicke verraten bald, dass sie an Adrien mehr als nur das Interesse an dessen gemeinsamen Geschichten mit Frantz fesselt. Die Kleinstadtbewohner beobachten dies alles mit Argwohn. Denn der Krieg hat in jeder Familie seine Spuren hinterlassen, und da soll man dem Feind mit Wohlwollen entgegentreten?

Zur Mitte des Films dreht sich die Geschichte jedoch, und die Frage nach Vergebung nimmt eine ganz neue Dimension an. Ist es möglich, dass eine Lüge Leid lindern kann? Ist die Fiktion erträglicher als die Wahrheit? Fragen, die Anna sich nun stellen muss. Paula Beer spielt sehr eindrücklich und schafft es mit wenig Aufhebens, Großes zu spielen. Verdientermaßen hat sie in Venedig dann auch eine Auszeichnung als beste Nachwuchsschauspielerin erhalten.

Zusammen mit seinen beiden Hauptdarstellern schafft es Ozon, dass Frantz trotz seiner schweren Geschichte nie zu sehr in eine Niedergedrücktheit abrutscht. Die Inszenierung stützt sich verstärkt auf Anna und Adrien, die in ihrer Jugend gar nicht anders können als hoffnungsvoll in eine bessere Zukunft zu schauen. Denn obwohl kein Happy End am Ende steht, verlässt man den Kinosaal beschwingt und voller Emotionen, aber auch mit genug Grundlage, um anschließend ausgiebig zu diskutieren.

Frantz

Frankreich/Deutschland 2016, 114 Minuten

Regie: François Ozon; Darsteller: Paula Beer, Pierre Niney, Ernst Stötzner

Kinostart: 29. September 2016, voraussichtlich in den Passage Kinos


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