Ob Portland oder Barcelona

„Das Umgehen der Orte“ zeigt, dass Fabian Hischmann zwar erzählen, aber keine Romane schreiben kann

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Fabian Hischmann ist ein junger Schriftsteller, der in Hildesheim und Leipzig studierte und als Regieassistent in Heidelberg und Freiburg tätig war. Er erhielt ein Bremer Autorenstipendium und gewann einen Kurzgeschichten-Wettbewerb, sein Debütroman aber stürzte ab. Das Umgehen der Orte liest sich zunächst erfrischend originell. Es sind Dialogstücke, die leise, zumeist unaufgeregt hin und her gehen, ganz ohne das Instrument der wörtlichen Rede oder autoklave Betrachtungen, außerdem im Präsens. Anne wird von Lisa zuerst bei „Hüpfekästchen“ beobachtet, sie ist das neu zugezogene Mädchen in der Reihenhaussiedlung, bald entsteht eine Freundschaft. Ihre Eltern waren viel im Ausland und sind etwas besser situiert. Sie reflektiert wesentlich politischer, probiert sich in Political Correctness.

Von Lisa ist richtig viel da, sagt die Freundin Anne, denn diese schleckt gern Süßigkeiten. Vor allem aber leidet sie unter dem plötzlichen Tod des Vaters. Sie chillen meistens am Klärwerk, weil es da schön fies stinkt und wirklich kaum einer hinkommt. Manchmal kauft Anne Bier zu den Schokoladen-Riegeln. Sie schwänzen die Schule.

Was sich in den knappen Dialogen widerspiegelt, ist nicht nur die Freundschaft zweier Mädchen, sondern die ganz unmerkliche Entwicklung vom kindlichen Sein und Sehnsucht nach Wärme zu ersten Schritten in das frühe Erwachsenwerden. Zum Golfplatz, wo sie einen vergleichsweise netten Scherz landen und die Löcher verfüllen, ist auch Magnus gekommen, den Anne neuerdings manchmal zu ihren Treffen mitbringt. Es kommt, was man erwarten darf und wovon Lisa zufällig Zeugin wird: der Beischlaf von Anne und Magnus. Mit Lisas Resümee geht das Mädchen-Bündnis auf Seite 42 seinem vorläufigen Ende entgegen: „Heute ist wie gestern, nur braucht sie für diesen Wurf keine Anne mehr.“

Großer Zeilenabstand und eingerückte Seiten haben Platz geschunden. Aber was nun? Nichts leichter als das, mag sich der Autor gedacht haben und Schubläden, Klemmmappen und allerlei Dateien geöffnet haben. Der Autor offeriert dann seine Auslandsreisen, Schreib-Workshops, auch die eher drögen Erlebnisse als Naturschützer und Fotograf dürfen nicht fehlen und sind selten anders als im Berichtston zu lesen. Hin und wieder kommt auch Originelles vor, wie der kleine Junge mit dem Sportzeug, der über den Zebra-Streifen trödelt und letztlich vom Taxifahrer zu Silkes Imbiss eingeladen wird.

Ob Portland oder Barcelona, die Orte werden fast nur langweilig abgehandelt und sind wirklich wie umgangen, der Titel hält Wort. Auch vom Schreibworkshop hat Hischmann durchaus profitiert, denn – inmitten der anderen Berichte – trifft er noch mal Anne oder zumindest ein Mädchen, das an sie erinnert, auf einer Party, für drei müde Zeilen.

Erst auf Seite 171 wird es wieder interessanter: Anne fliegt nach Island, wo Lisa mit einer Frau lebt und sich wohlfühlt, vielleicht ist sie glücklich. Sie hat einen Süßwarenladen übernommen. Das tägliche Konfrontiert-Sein mit den Leckereien war der richtige Entschluss, sie hat deutlich abgenommen. Die Mädchenfreundschaft hat doch überstanden, sogar diesen wirklich mit abwegigen Szenen zugemüllten Roman. Was bleibt, das wäre eine gute Kurzgeschichte von Lisa und Anne, rein technisch wurde die hier als Rahmenhandlung positioniert. Ein guter Roman ist das noch lange nicht. Fabian Hischmann verfügt über das Handwerkszeug des Schreibens, wir müssen nur schätzungsweise zwanzig bis dreißig Jahre warten, bis es auch für mindestens einen Roman Erlebnisse gibt.

Fabian Hischmann: Das Umgehen der Orte

Berlin Verlag

Berlin 2017

200 Seiten, 18 Euro

Fabian Hischmann „Das Umgehender Ort“ – zweite Meinung von Fabian Stiepert

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