Wiederaufnahme am 28. Dezember: Das Schauspiel Leipzig nimmt seine Zuschauer mit auf die wahnsinnige Reise des Peer Gynt – ein Text der „Jungen Kritiker“
„Gib Antwort! Wer bist du?“, schreien sich die sieben Männer auf der Bühne entgegen. Die scheinbare Antwort besteht aus dem Echo der immer gleichen Frage. Der Wahnsinn hat Peer Gynt ergriffen. Hinausgezogen ist er aus der Dorfgemeinschaft und träumt sich in die kühnsten Fantasien: Kaiser will er werden! Dabei ist er stets auf der Suche nach Höherem, nach etwas, das seinem Selbst Sinn verleiht und ihm endlich die Antwort auf die Frage gibt: „Wer bin ich?“
Regisseur Philipp Preuss lässt diesen Peer Gynt im Leipziger Schauspiel durch insgesamt sieben Darsteller sprechen und zeichnet damit das zwiebelhafte Dasein des Peer Gynt nach, das sich auf seiner fantastischen Reise entfaltet. Sie beginnt im Dorf bei seiner geliebten Mutter, die sich nichts daraus macht, Peer bei der leidenschaftlichen Inszenierung seines Selbst als Kaiser Gynt zu Pferde zu unterbrechen, um ihm die Leviten zu lesen. Schonungslos beschreibt sie ihren Sohn – „Statt ich mich an dir halten könnt‘, verlumpst Du Zeit und Geld!“ – und versucht ihn auf den Boden der Tatsachen zu holen. Dieter Jaßlauk schafft es dabei, nie zu weich und nie zu hart zu wirken, stets ist in seinem Spiel ein Funken Hoffnung auf Besserung.
Unter dem Eindruck der Klagen seiner Mutter und um der Welt zu beweisen, zu was er fähig ist, raubt Peer dem naiven Bräutigam Mads seine Braut, der immerzu wie ein begossener Pudel aus dem Dunkel emporsteigt, um seine Ingrid doch noch zu retten. Es sind slapstickartige Szenen wie diese oder jene später in der Psychiatrie, wenn die sieben Peers aufgereiht wie auf einer Hühnerstange im Strickpullover in leierndem Ton „Whenever I’m alone with you / You make me feel like I’m home again“ singen, die den oft düsteren und brutalen Stationen in Peers Reise eine gewisse Leichtigkeit verleihen.
Die einzelnen Stationen von Peer Gynts Reise reihen sich wie zerplatzende Luftblasen aneinander und werden durch das riesige Schaumbad auf der Bühne untermalt. Stück für Stück gerinnt der Schaum und mit ihm Peer Gynts Träume von Reichtum und Ruhm. Einmal taumelnd vor Schmerz, ein anderes Mal rasend vor Gier nach Anerkennung flieht er sich in immer weitere Fantasien und bedeutungslose Liebeleien. Insbesondere der Peer Gynt von Felix Alex Prahl überzeugt dabei in der Verkörperung des Wahns und der Verzweiflung. Diese Träume werden schließlich dank der Kamera von Konny Keller nicht selten in grotesker, dennoch passender Weise untermalt, vor allem wenn Peer Gynt auf alptraumhafte Weise mit den Konsequenzen seiner Ambitionen im Reich der Trolle konfrontiert wird.
Philipp Preuss beginnt diese Inszenierung mit starken Szenen, die dem Zuschauer auf spielerische Art und Weise Einlass in Peer Gynts Träume gewähren. Neben dem beeindruckenden Bühnenbild versteht er es, mit nur wenigen Mitteln große Effekte und Bilder zu erzeugen, die dem Zuschauer in eindrucksvoller Erinnerung bleiben. Die komplexe Reise des Gyntschen Ich entspinnt sich dabei nach und nach, schafft es aber leider nicht, bis über den Höhepunkt des Stückes hinaus den roten Faden zu behalten. Nichtsdestotrotz besticht diese Inszenierung mit ihrem Ideen- und Bilderreichtum.
Peer Gynt
Regie: Philipp Preuss
Bühne & Kostüme: Ramallah Aubrecht
Musik: Kornelius Heidebrecht
Video: Konny Keller
Dramaturgie: Christin Ihle
Mit: Timo Fakhravar, Kornelius Heidebrecht, Dieter Jaßlauk, Andreas Keller, Hiltrud Kuhlmann (Sängerin), Markus Lerch, Fanny Lustaud (Sängerin), Amanda Martikainen (Sängerin), Joanne D’Mello (Sängerin), Denis Petković, Felix Axel Preißler, Florian Steffens
Schauspiel Leipzig, Große Bühne, Premiere: 28. Januar 2017, weitere Aufführung am 28. Dezember 2017, 13. Januar, 23. Februar und 14. März 2018
Dieser Text entstand im theaterpädagogischen Projekt „Junge Kritiker“ des Schauspiels Leipzig und der Jugendpresse Sachsen e.V. Mehr dazu hier.
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