Kleine Dame – große Präsenz

Singer-Songwriterin Alice Phoebe Lou fuhr in einem imposanten 67er Coupe DeVille beim UT Connewitz vor – musikalisch betrachtet

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Manchmal braucht es nur Gitarre und eine markante Stimme für Momente der Magie (Foto: Jan Rillich/UT Connewitz)

Es ist gleich zu spüren, welche Spiellust diese zierliche Person mit dem blonden, engelsgleichen Schopf und ebensolcher Stimme auf der Bühne des UT Connewitz antreibt. Alice Phoebe Lou, seit ein paar Jahren nicht nur everybody’s darling jener, die sich für unabhängige Singer-Songwriter*Innen interessieren, führt das Publikum im restlos ausverkauften Haus so selbstverständlich und souverän durch den musikalischen Abend, als wäre sie seit Dekaden im Show-Biz gestählt und unterwegs. Dabei ist sie gerade mal 26 Jahre jung. Ihre Karriere starte die in Südafrika geborene und in einer Filmemacher-Familie aufgewachsene Künstlerin 2013 in Berlin. Dort sorgte sie (und sorgt auch weiterhin) rund um den Mauerpark als Straßenmusikerin für Aufmerksamkeit. Einerseits natürlich aufgrund ihrer markanten Stimme, andererseits wegen der Themen, über die sie singt: Es sind oftmals provokante Botschaften von Freiheit und Selbstbestimmung – insbesondere in der Rolle als Frau. So manch bittere Erfahrung, wie gestalkt oder Opfer von K.O.-Tropfen zu werden, weiß sie scheinbar sanft zu verpacken – »Skin Crawl« und »Something Holy« singen sprichwörtlich ein Lied davon – und genau darin liegt die untergründige Wucht ihrer Songs. Sie offenbaren eine mutige und gleichzeitig fragile Offenheit.

Während ihr bezauberndes 2016er-Debütalbum »Orbit« noch mit reduzierter Instrumentierung daher kam – oft nur Gitarre, Gesang und leise Beats – spielt Alice Phoebe Lou diesmal fast ausnahmslos Stücke ihres im März 2019 erschienenen zweiten Album »Paper Castles«. Natürlich dreht es sich in den neuen Songs wieder um Freiheit und Unabhängigkeit, überraschend ist jedoch, dass sämtliches Material nun quasi im Big-Band-Format daher kommt. Unterstützt wird sie daher im UT von einer sechsköpfigen männlichen Combo, die mit Bongos, Saxophon, Piano und weiteren Instrumenten aufwarten. Gleich zu Beginn des Konzertes macht Alice Phoebe Lou eine klare Ansage: Sie sei hier, um Spaß zu haben. Und den habe sie, wenn sie konsequent jene Sachen spielt, auf die sie Lust hat. Songwünsche würden demnach nicht angenommen. So viel Selbstbestimmung muss sein. Dafür liebt man Alice: Sie ist die weibliche Ikone des Indie-Muckertums. Alles, was nur den Geruch von Mainstream hat, umschifft sie großräumig und pflegt eine anti-kommerzielle Attitüde. Angebote von großen Plattenfirmen lehnt sie ab: sie ist und bleibt ihre eigene Frau. Und das beweist sie auch heute.

So bekommt der Abend eine interessante Wendung. Statt eines mehr oder weniger ausgestöpselten Singer-Songwriter-Gigs fühlt man sich zurückversetzt in die späten 1960er – in jene Zeit, als Männer beim Ausgehen noch Anzug und Krawatte trugen, man sich in Downtown-Manhattan in einem schummrigen Jazz-Lokal traf, dabei Martinis mit Olive goutierte, während im Halbdunkel der Bühne eine Blondine oder Brünette im Glitzerkleid leise Worte vor sich hin hauchte. Alice Phoebe Lou samt Support shufflen sich unvergleichlich im Zwei- bzw. Dreivierteltakt in die Nacht, drapiert mit wuschigen Klängen, die Jazz, Blues, Soul und Folk mutig zusammen mischen, dies meistens unterfüttert mit funky Baselines, cheesiger Wurlitzer-Orgel und natürlich immer mit ihrer leidenschaftlichen Sopranstimme. Spätestens bei »Nostalgia« meint man, mit zusammengekniffenen Augen, Marilyn Monroe auf der Bühne zu entdecken.

Auf ihren Hit »She« muss das ausgehungerte und größtenteils weibliche Publikum bis ganz zum Ende warten. Dieser Song für den im Grunde recht mittelmäßigen Doku-Film »Geniale Göttin: Die Geschichte von Hedy Lamarr« war als »Best Original Song« für einen Oscar nominiert. Okay, den bringt sie noch. Dann ist aber Schluss. Zugaben gibt’s nicht. Das ist zwar die Regel, doch so etwas gilt für Alice Phoebe gerade eben nicht.

Alles in allem ein intimer, allerdings kurzer Konzertabend. Ein wenig mehr Variation bei der Songauswahl und etwas mehr Abwechslung in den Tempi der Stücke hätte ihn perfekt gemacht.

Paper Castles Live

Alice Phoebe Lou

10. April 2019, UT Connewitz

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