Taucha in Trance

Impressionen eines Wochenendes: Am Rande von Leipzig fand das 10. „Ancient Trance Festival“ für Maultrommel und Weltmusik statt

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Blick auf die Seebühne, die größte Bühne des Festivals im Zentrum des Tauchaer Stadtparks. (Fotos: Dennis Osmanovic)

Das Ancient Trance Festival lud dieses Jahr mit einem vielfältigen und vielversprechenden Programm zu seinem zehnjährigen Jubiläum vom 8.-11. August in Taucha ein. Erwachsen aus dem ersten internationalen Maultrommelfestival 2007, organisiert von Clemens Voigt und Sven Otto, den Gründern des Maultrommelvereins e.V. , hat sich das Festival über die Jahre zu einer bunten Veranstaltung über vier Tage entwickelt.

Die Überschrift dieses Jahr lautete „It’s in Our Hands” – um auf ein Gleichgewicht von Handeln und Übernahme von Verantwortung aufmerksam zu machen. Die Besucher*innenzahl erreichte diesmal mit (laut Veranstalter) ca. 5000 Gästen passend zum runden Jubiläum ihren Höhepunkt in der Geschichte des Festivals.

Ein Festival besonderer Art

Überrascht konnten erstmals Besuchende bei Ankunft feststellen, dass das Festival inmitten der Stadt Taucha stattfindet. Die verschiedenen Bereiche konnten mit oder ohne Ticket betreten werden. Unweigerlich stellt sich dem naiven Gast die Frage wie die hier Wohnenden zu dieser viertägigen, bunten Mischung aus Musik, Menschen, Workshops, Tanz und Ständen stehen. Und wie ist es überhaupt möglich, dass es nunmehr das zehnte Mal ist, und dass die Stadt all dies willkommen heißt?

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Unter den Ständen der Kunsthandwerker*innen konnte man viele besondere Unikate entdecken.

Die auf den ersten Blick eindeutige Trennung von Tauchaer*innen (die vergünstigten Zutritt zu den Veranstaltungen erhielten) und Festivalbesucher*innen erwies sich auf den zweiten Blick als trügerisch. Ein zentraler Ort, der „Marktplatz der Möglichkeiten” diente als Ort der Begegnung. Hier konnte man schon mal vorerst skeptisch blickende und am Rande stehende und ein wenig später neugierig schauende und am Geschehen teilnehmende Ortsansässige beobachten – wie zum Beispiel beim Konzert des Maultrommlers Neptune Chapotin, der mit seiner Musik ein vielfältiges Publikum anlocken konnte. Neben der Teilnahme an Konzerten war es am Marktplatz ebenfalls möglich, mehr über nachhaltige Projekte und Initiativen zu erfahren, sich im Kurzfilmkino niederzulassen oder einfach eine der angebotenen Köstlichkeiten zu probieren.

Jenseits des Marktplatzes, welcher für alle Vorbeischauenden frei zugänglich war, gab es mehrere teils zugangsbeschränkte Bühnen, einen Erholungsbereich, diverse Stände zum Speisen sowie Handwerkskunst.

Von Werten, und deren Wert

Wie bereits auf der (äußerst gut gelungenen und sehr informativen) Internetseite der Veranstaltung verkündet, wurde im Rahmen des Festivals viel Wert auf Nachhaltigkeit, Wertschätzung, Achtsamkeit, Respekt, Mitgefühl, Empathie und Liebe gelegt. Und diese Werte erwiesen sich vor Ort tatsächlich nicht nur als spirituelle Worthülsen sondern als gelebte (und erlebte) Wirklichkeiten, die sich auch in der Ausstrahlung von Organisator*innen, auftretenden Künstler*innen bis hin zu den Sicherheitskräften widerspiegeln.

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Motto des Festivals dieses Jahr war „It’s in Our Hands” – um auf ein Gleichgewicht von Handeln und Übernahme von Verantwortung aufmerksam zu machen.

So bereitete das ausschließlich aus 80 Ehrenamtlichen bestehende Orgateam (das hierarchische Strukturen ablehnt und zu welchem während des Festivals 500 Helfer*innen hinzukommen) das Festival wieder ein ganzes Jahr lang vor.

Und auch die auf der Seite betonte Nachhaltigkeit erwies sich auch nicht als modisches Schlagwort, sondern als ein vor Ort konkret umgesetztes und uns alle betreffendes Anliegen. Alle Gäste waren dazu aufgerufen, eigenes Geschirr mitzubringen; wer keins dabei hatte, konnte welches gegen Pfand oder in Papierform benutzen. An verschiedensten Orten auf dem Gelände wurden getrennte Mülltonnen aufgestellt die regelmäßig geleert wurden. Viele der angebotenen Lebensmittel und Gewürze wurden zuvor vom Orgateam auf der Fläche der Solidarischen Feldwirtschaft Brandis angebaut.

Jenseits von Maultrommeln

Das musikalische Angebot des Festivals war (auch) dieses Jahr recht vielfältig. Bei der Auswahl der eingeladenen Musiker*innen war der Aspekt, möglichst große Bühnen zu erschaffen keineswegs vordergründig. Die Auswahl spiegelte vielmehr ein Gleichgewicht zwischen international bekannteren Künstler*innen und von „Geheimtipps” wider.

Verschiedenste Maultrommelkünstler*innen erinnerten an die Wurzeln des Festivals und zeigten, welch unterschiedliche Töne und Stimmungen dieses außergewöhnliche Instrument hervorbringen kann. So konnten neben dem Maultrommelspecial am Luftschloss, wo mehrere Musiker*innen ihre Kunst vorführten, auch verschiedene Konzerte besucht werden wie das von Uutai Olena. Die aus Sibirien stammende Künstlerin verbindet Maultrommel mit elektronischer Musik und schamanischen Elementen.

Die Auswahl des musikalischen Angebotes beschränkte sich jedoch keineswegs auf Maultrommelklänge. Neben den zwei großen Bühnen am Luftschloss und am Teich im Stadtpark, wo namhafte Musiker*innen der „Weltmusik”-Szene auftraten, fanden auch kleinere Konzerte am Marktplatz und in der Kirche sowie Singkreise und Klangreisen im Klangtempel statt. Und so konnten sich Tanzfreudige zu kraftvolleren Rhythmen austoben wie zum Beispiel beim Konzert von Ndagga Rhythm Force, deren elektronische Beats vom Techno-Produzenten Mark Ernestus stammen und die das Publikum mit ihrer Sabar-Trommel in eine Stimmung der Tanzlust versetzten.

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Ndagga Rhythm Force begeisterte das Publikum mit Tanz, Gesang, Trommel und ins Publikum geworfenen Bonbons.

Ein sehr bereicherndes und besonderes Konzert durften diejenigen miterleben, die am Samstag Abend Saodaj’ an der Teichbühne hörten. Die Band von der Insel La Réunion im Indischen Ozean begeisterte das Publikum durch außergewöhliche Instrumente, kraftvollen und gleichzeitig milden Klängen und nicht zuletzt durch die Stimmen der Sängerinnen Maria und Mélanie. Herzlich begegneten die Musiker auch nach dem Konzert dem Publikum, welches bei den zu verkaufenden CDs und Schallplatten rasch zugriff.

Ein weiteres gut besuchtes Konzert war das von Ilhaam Project am Sonntag Abend. Nina und Omri, die sich bei einem Wanderzirkus für den Frieden zwischen Israel und Palästina kennenlernten, brachten die Zuhörenden sowhl zum Tanzen als auch zum Nachdenken. Das Nachahmen von Tierstimmen begleitet von spirituell angehauchten Kommentaren ist zwar nicht jedermanns Sache, erlangte aber kein übertriebenes Ausmaß.

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Das Ilham Project am Sonntag Abend auf der zweitgrößten Bühne im Luftschloss-Areal.

Auch denjenigen, die eher ruhigere Klänge bevorzugen, bot das Programm reichlich Raum für entspannende Töne und Möglichkeiten zum In-sich-kehren. Wie zum Beispiel bei der Musik von Archer & Tripp, die mit Hilfe des Hangs (ein aus zwei metallischen Halbschalen bestehendes Schlaginstrument zur Erzeugung verschiedenster Klänge) auf dem Marktplatz eine Atmosphäre der Besinnung entstehen lassen konnten.

Räume der Begegnung

Wenn man gerade nicht auf eines der Konzerten verweilte, konnte man an verschiedenen Orten so manch anderes erleben und erfahren. So gab es für zwischendurch Flanierende allerlei Kunsthandwerk zu bestaunen und zu erwerben. Bemerkenswert waren hier vor allem die außergewöhnlichen Musikinstrumente aus aller Welt.

Jenseits der Bereiche für Erwerb von schönen Dingen boten die liebevoll mit Traumfängern, Tüchern und Lampen geschmückten Flächen in Form von Hängematten, Decken und Zelten diverse Möglichkeiten für Ruhe. Inmitten der Lichtstrahlen von Discokugeln und Lichterketten konnte man im abendlichen Stadtpark ohne konkreten Pläne promenierend mal hier Feuertänzer*innen zuschauen, mal da Musiker*innen auf der Jambühne zuhören. Eine Sauna lud gegen Spende zum Entspannen ein. Neu in diesem Jahr war auch ein sogenannter Retreat-Ort: eine Lichtung auf der man Klangreisen oder Massagen mitnehmen oder einfach eine Ruhepause (mit oder ohne Kind) einlegen konnte. Auf dem Platz der Spielelust konnten (nicht nur) Kinder allerlei ausprobieren, Verschiedenstes basteln, trommeln oder eine Runde schaukeln.

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Von den Kleinsten bis zu Betagteren waren alle Altersgruppen auf dem Festival vertreten.

Vielfältig war auch das Workshopangebot des Festivals. Hier konnten in den Bereichen Instrumente & Gesang, Körperarbeit & Tanz, Geist & Seele und Handwerk & Kunst nach vorheriger Anmeldung verschiedenste Erfahrungen gesammelt werden. So gab es von Workshops zur Diversität des Erlebens von Weiblichkeiten* und Männlichkeiten* über Instrumentenbauworkshops bis hin zu Klangreisen und Yoga eine große Auswahl. Auch spirituelle Angebote wie vedische Astrologie und Andersweltreisen in schamanischer Begleitung konnten besucht werden.

Das kulinarische Angebot kam daneben passender Weise ebenfalls aus aller Welt und stammte aus biologischem und/oder regionalem Anbau.

Résumée

Da es gleichzeitig immer mehrere Angebote gab, stand man als Besucher*in durchaus vor der schwierigen Wahl, wo und wie man seine Zeit verbringen wollte. Da es jedoch auch ohne festes Vorhaben immer etwas zu sehen und zu erleben gab, empfiehlt es sich für zukünftige Besucher*innen, sich neben einigen ausgewählten Konzerten entspannt treiben zu lassen, sich auf die Atmosphäre einzulassen und zu sehen was geschehen mag. So kann man mitunter unerwartete Momente des Glücks erleben, wie zum Beispiel am Rande des Sandkastens einer spontan auftretenden Gruppe von Musiker*innen beim Klezmermusizieren zuzuhören.

Trotz der Diversität der Anwesenden waren bestimmte gemeinsame Werte wie zum Beispiel Respekt für ebendiese Diversität tatsächlich jederzeit spür- und erlebbar. Diese Erfahrungen machen das Festival zu einem besonderen Ort, und das mitten im Herzen von Taucha. Es konnte tatsächlich ein Raum für Begegnungen geschaffen werden und für vier Tage eine gemeinsame Wirklichkeit des Miteinanders und des Teilens entstehen, sodass wir schon gespannt dem Ancient Trance Festival 2020 entgegenblicken!

10. Ancient Trance Festival

Festival für Maultrommel und Weltmusik

8. bis 11. August 2019, Taucha bei Leipzig

Festival-Website

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