Der Sinatra von Biberach beswingt die Angst

Get Well Soon und Big Band spielen auf der sommerlichen Parkbühne Geyserhaus ganz galant sämtliche Sorgenkarten aus

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Der Sinatra von Biberach: Konstantin Gropper aka Get Well Soon (Fotos: Dennis Osmanovic)

Ein lauschiger Abend. Am nördlichen Ende des Arthur-Bretschneider-Parks hört man freudiges Juchzen. Die lebensfrohen Geräusche kommen vom Gelände der Parkbühne GeyserHaus: gut gelaunt schwingen sich auf der großen Schaukel, die oberhalb der Publikums-Tribüne thront, Kinder in die Luft – und schaffen somit einen irritierenden Kontrast zu der Musik, die im selben Moment von der Bühne in den Dämmerungshimmel drängt. Freude gegen die Angst, sozusagen und noch ist nicht entschieden, wer als »Sieger« vom Platz dieser wunderschönen Open-Air-Location gehen wird; das Konzert hat gerade erst angefangen, die Plätze sind fast vollständig belegt.

Schlicht »Horror« heißt das inzwischen fünfte Album von Konstantin Gropper bzw. seiner Formation Get Well Soon (erschien letzten Sommer bei Caroline International). Das Album davor, aus dem Jahre 2016, hatte einen ebenfalls kurzen Titel: »Love«. Der musikalische Duktus war damals allerdings noch von distinguiertem Indi-Pop bestimmt, flockig-schmerzfreie Songs mit Ohrwurm-Qualität also, gewissermaßen ein Pendant – und nicht abwertend gemeint – zu Befindlichkeits-Musikern wie Connor Oberst und Co. Ein bisschen eskapistisch bestimmt, aber auch dies hat hin und wieder seine Berechtigung.

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Get Well Soon … und Big Band

Nun, zu Beginn des Abends, ist allerdings nichts mit Sommerleichtigkeit. Abseits der Liebe gilt es, weitere essentielle Topics zu sezieren. Und so kommt eine swingende Big-Band-Breitwand quasi als Wolf im Schafspelz daher und singt Lieder von Schrecken, Furcht und Abgründen. Dies obendrein in einer Art und Weise, die fast schon hinterhältig ist. Nicht weniger als vierzehn Musiker stehen bzw. sitzen auf der Bühne – Streicher, Bläser, Perkussionisten und weitere Tonbeigeber in galanter Abendgarderobe. So angenehm der Sound, den sie erzeugen, anscheinend wirkt, umso bedrohlicher wirkt jedoch der musikalische Subtext, den die Lyrics und die orchestrale Dramaturgie immerwährend beisteuern.

Konstantin Gropper konfrontiert uns künstlerisch extrem elaboriert mit dem großen Zeitthema Angst und lässt dabei nur wenige Facetten dieses universellen Gefühls aus. Durchdekliniert wird es anhand überlanger Stücke, die bereits den Alp im Namen tragen (Nightmare No.1 – Collapse, Nightmare No.2 – Dinner at Carinhall, Nightmare No.3 – Strangled) oder andere Angst induzierende Titel aufweisen (Future Ruins Pt. 2, The Horror, Martyrs, The Only Thing We Have To Fear). Es geht um Schrecken des Krieges oder die Furcht, im Wald erwürgt zu werden – ebenso um die Panik vor sozialem Abstieg. Es tangiert sowohl generische als auch ganz konkrete Angstfelder.

»Ich wollte keinen Horror-Sound machen, sondern eher eine Art schwelgerischen Traum-Soundtrack, in dem hin und wieder, ganz selten, das Unbehagen durchbricht, in dem hin und wieder die Idylle bröckelt«, sagte Gropper in einem Interview. Dies ist ihm heute Abend eindrücklich gelungen. So sehr die einzelnen Stücke sich auch um Trost bemühen mögen – mal klingt es wie ein verspulter Soundtrack zu einem Morricone-Italo-Western, mal erinnert es an Songs, die Morton Feldman und Nelson Riddle in den 50ern für Frank Sinatra komponierten – es bleibt stets ein Rest von Unbehagen zurück, nachdem der letzte Ton und auch Groppers Stimme, die hier noch mehr als sonst zwischen Leonard Cohen, Nick Cave und Tom Waits zu verorten ist, verklungen sind.

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Das Eis ist gebrochen, das Publikum nah. Zu späterer Stunde folgen die Zuschauer der Einladung Groppers zum Tanz vor der Bühne.

Ein Immersionkonzert par exellence also, gerade zu Beginn. Im GeyserHaus ist an diesem Abend in großen Teilen das orchestrale Meisterwerk von Get Well Soon live auf der Parkbühne zu erleben, was für sich schon eine Besonderheit ist, ist es doch (noch) nicht die Regel, samt 14-köpfiger Entourage aufzutreten. Wie gewohnt agierte der in Biberach geborene Gropper bedauerlicherweise dabei jedoch sehr unterkühlt bis kalt. Wenig Lächeln, zwischen den persönlichen und teils tiefemotionalen Liedern immer ein wenig seltsam fremd bleibend, und auch Humor scheint nur bedingt eine Stärke dieses musikalischen Masterminds zu sein. Umso erfreulicher, dass Gropper im letzten Drittel dann das Publikum, welches bis dahin erfuchtsvoll Distanz zum orchestralen Auftritt wahrt und auf seinen Plätzen verharrt, zum Tanz vor die Bühne bittet.

Das nun entstehende Bild scheint, wenn auch vielleicht ungewollt, eine unmittelbare Antwort auf das Topos Angst zu sein. Menschen tanzen, und eine teils gefühlt aufkommende nächtliche Erstarrung des Gesamtbildes wird unmittelbar durchbrochen. Als wenn das Leben letztlich doch seinen Weg findet, jenseits aller Furcht. Und so erfüllt einen auch eines der letzten Lieder, persönlich und fast allein von Gropper auf der großen Bühne vorgetragen, unmißverständlich mit Hoffnung und Zuversicht. »TicTack goes my automatic heart«, singt er hier, und nein, man mag an dieser Stelle dann wirklich mehr nicht glauben wollen, dass es sich hier um ein rein analytisch-automatisches Herz handelt, dass in der Brust von Gropper schlägt, egal wie unterkühlt er zwischen seinen Liedern letztlich scheinen mag.

Get Well Soon

14.08.2019, Parkbühne GeyserHaus

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