K.I. und Hysterie

Katrin Plötner inszeniert die Uraufführung von Martina Clavadetschers „Frau Ada denkt Unerhörtes“ in der Diskothek des Schauspiel Leipzig allzu logisch

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Eingesperrt im goldenen Käfig: Katharina Schmidt als Ada Lovelace (Foto: Rolf Arnold).

Augusta Ada Byron King, Countess of Lovelace, war die Tochter des romantischen Dichters LordByron und die erste Programmiererin der Geschichte, Vordenkerin der künstlichen Intelligenz. Martina Clavadetscher zeichnet in ihrem Stück eine Ada, die diese beiden Pole zusammenbringt. Eine Ada, die ein romantisches Denken mit Mathematik und Maschine verbindet und die schließlich selbst zur menschlichen Maschine mutiert.

Es scheint alles klar an diesem Abend in der Diskothek des Schauspiel Leipzig. Ada Lovelace als kataleptische Pubertierende im goldenen Käfig. In einem schwarzen Baumwollkleid hockt sie auf einer Matratze, die Arme versteift, die Bewegungen roboterartig. Unter dem kurzärmeligen Kleid trägt sie beige Ärmel, wie die beiden männlichen Puppen, die hinter ihr sitzen. Die Mutter, ebenfalls in beige, die Hochsteckfrisur verfilzt, das Kleid mit Reifrock aus Flicken. Mit geöffneten Beinen liegt sie da und wartet auf Sex. Eingesperrt sind diese Figuren von einem Horizont, der vielleicht den Garten Eden zeigt. Der Goldene Käfig, die Abwesenheit der Männer, Hysterische und Gelähmte. Katrin Plötner und ihr Team sind mit Freud einverstanden und wenn man Kostüme und Bühnenbild nicht begriffen hat, erklärt die Regie es uns dann auch gerne noch einmal. Die Mutter fickt die Roboterpuppen des Kindes, das Kind läuft mit dem Kopf gegen die Paradieswand. Die Geburt der „Künstlichen Intelligenz“ aus dem unbefriedigten Sexualleben.


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Ada Lovelace wird selbst zur menschlichen Maschine (Foto: Rolf Arnold).

Diese Dualismen werden im zweiten Teil dann noch einmal aufgegriffen. Praktischerweise kann das Bühnenbild von Camilla Hägebarth, das aus einzelnen, zu einem Rund zusammengeführten Tafeln besteht, von Paradies auf Spiegelwand umgedreht werden. Das ist das Labor, in dem in irgendeiner Zukunft drei Wissenschaftler*innen einen Menschen auferstehen lassen, der sich dann, immer mehr belebt, als Augusta Ada Byron King, Countess of Lovelace, zu erkennen gibt und die Wissenschaftler*innen dann tötet. Große Fragen werden hier schnell abgehandelt: Die Gefahren der K.I., die Frage ob eine programmierte Maschine Bewusstsein entwickeln kann, ob wir nicht selbst nur programmierte Maschinen sind. Der Kniff, dass es Ada Lovelace ist, die hier von Maschine zu Mensch mutiert, ist irgendwie unnötig „spannend“.

Aber die Schauspieler*innen! Julius Forster und Felix Axel Preißler eignen sich in erstaunlicher Präzision das Puppenhafte an, sind schon gar keine menschlichen Körper mehr, um dann rasant in klamaukige Spielszenen zu springen. Etwa in den Kongress, an dem Ada (Katharina Schmidt) teilnimmt und Sir Babbage (Felix Axel Preißler) kennenlernt, zu dessen Erfindung sie ihre berühmten Programmiernotizen, die „Notes“ verfasste. Dieser Wechsel zwischen Mensch und Maschine ist nur eine der Facetten, die an Katharina Schmidt so überzeugen. Auch in den Momenten, in denen die Frauenfiguren zwischen „männlichem“ Kalkül und „weiblicher“ Verführung wechseln, als wären es nur unterschiedliche rhetorische Mittel, gelingt es der Regie dann doch Denkräume zu öffnen. Anne Cathrin Buhtz ist dann eben nicht nur eine grotesk hampelnde Mutterfoltermaschine, sondern auch eine Wissenschaftlerin, die in fast filmisch wirkender Direktheit mit Laborsprache umgeht.

Es bleibt schlussendlich eine runde Sache. Bekannte Fragestellungen, bekannte Darstellungsformen. Das wird mit viel Applaus quittiert. Das komplexe Mutter-Tochter-Gewebe, die Frage wie das Programmieren ursprünglich an romantische Ideen angebunden war und es heute vielleicht noch ist, bleibt unterbestimmt und allzu hastig von Autorin und Regie-Team wegerzählt. Vielleicht ist auch Freud interessant. Denn Augusta war der Name der Halbschwester


Frau Ada denkt Unerhörtes (UA)

Theaterstück von Katrin Plötner nach dem Text von Martina Clavadetscher

Mit: Katharina Schmidt, Felix Axel Preißler

Uraufführung: 27. September 2019, Schauspiel Leipzig, Diskothek

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