Die Vermessung der Alpen

DOK Leipzig: Julia Gutweniger und Florian Kofler dokumentieren in „Sicherheit 123″ die von menschlichen Spuren durchsetzte Natur — und gewinnen damit die Goldene Taube in der Kategorie „Next Masters langer Dokumentar- und Animationsfilm“

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Nüchterne Kameraeinstellungen dominieren „Sicherheit 123″. Auf erklärende Kommentare aus dem Off verzichten die Macher komplett (Foto: DOK Leipzig).

Prolog

Sie liegen. Rundherum ist alles weiß. Ohne Muskelregung — Bewegung. Geräusche ertönen — klinisch, synthetisch.

Daten werden erhoben, Werte verschoben. Aus einer Simulation folgt Prävention: Sicherheit.


Ortswechsel

Österreich, irgendwo in den Alpen. Landschaft, soweit das Auge reicht.

Die Hänge sind bedeckt von Schnee. In das Weiß mischen sich gesprenkelt Bäume, während Wind den Himmel freigibt. Ein Knall ertönt, lautes Dröhnen, eine Schneelawine ergeht ins Tal.

Hier, wo die Natur noch unberührt scheint, Felsen, Flüsse und Wälder Formen zeichnen, verfolgen Julia Gutweniger und Florian Kofler in ihrem DOK-Film Sicherheit 123 Wissenschaftler, Höhenkletterer, Bauarbeiter. Ihr Ziel: die Sicherung der Alpen. Ihre Intention: Prävention, Simulation und Analyse.

Je mehr Szenen erscheinen, desto deutlicher werden Details. So natürlich die Landschaft wirkt, so durchsetzt ist sie von Spuren des Menschen. Bäche, deren Verläufe Stufen folgen, betonierte Mauern, die Erdmassen zurückhalten, stählerne Netze, die Felsbrüche aufhalten.

All jene Eingriffe folgen gezielten Berechnungen und bilden dabei graue Monolithe, hoch-ästhetische Nicht-Orte, einzig geschaffen, um das Leben sicherer zu machen. Immer wieder wuseln Menschen umher. Sie konstruieren, imitieren, rekapitulieren.

Welche Fließgeschwindigkeit reißt welche Form von Gestein mit sich? Wie bewegt sich eine Schlammlawine ins Tal? Kann ein Stahlnetz einer Last von 25 Tonnen standhalten?

Die vorwiegend langen Kameraeinstellungen wirken nüchtern, unaufgeregt und dennoch seltsam absurd. Menschen, die auf Hänge schießen, Stahlkugeln, die ins Tal kullern, Extreme als Spiel- und Experimentierfeld. Untermalt wird dies von der Musik Edgars Rubenis, der durch die Verstärkung realer Messfrequenzen die Natur in ein synthetisches Sound-Korsett zwingt.

Was die Zuschauer_innen bei Sicherheit 123 zu sehen bekommen, ist der Wille zur Kontrolle hin zur Beherrschung eigentlich unberechenbarer Natur. Wie in einem MRT entstehen Modelle, Kartographien — zur Sicherheit des Inneren wie des Äußeren. Das Besondere dabei: Kommentare gibt es keine. Hier sprechen Bilder für sich.

Sicherheit 123

Österreich 2019, 72 Minuten

Regie: Julia Gutweniger und Florian Kofler

DOK Leipzig, Wettbewerb Next Masters für langen Dokumentar- und Animationsfilm

Vorführzeiten, Katalogtext


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