A new Nostalgia

Mit „Nonetheless“ liefern die Pet Shop Boys einmal mehr musikalisch großes Kino

Sie sind wieder da. Genau genommen waren sie nie weg, denn Neil Tennant und Chris Lowe, besser bekannt unter dem gemeinsamen Pseudonym Pet Shop Boys, sind stets umtriebig mit irgendeinem Projekt beschäftigt. Ihr aktuellstes ist ein weiteres Studioalbum; das fünfzehnte des britischen Pop-Duos. Nonetheless, von James Ford produziert, präsentiert zehn brandneue Titel, die sich allesamt hören lassen können.

So stark die Songs sind, so angenehm unprätentiös gestaltet sich das Album äußerlich. Die Hülle, nachhaltig heutig, kommt ohne Plastik aus; stattdessen Pappe, die sich sogar nach recyceltem Papier anfühlt. Das Booklet ist einfach gehalten und enthält alle Liedtexte. Diese sind, wie immer bei Tennant und Lowe, vom Zeitgeist geprägt, haben aber diesmal auch sehr viel Nostalgie zu bieten. Nicht verwunderlich, da die älteren Herren auf eine lange und abwechslungsreiche Erfolgsgeschichte blicken können. Und so erinnern sie sich vor allem an die Zeit, in der sie aus der englischen Provinz nach London kamen, um in der Popszene Fuß zu fassen und nebenbei ihr Coming-out zu zelebrieren.

Neben allgemeinen Gefühlszuständen zwischen „Loneliness“ und „(The Secret of) Happiness“ werden sowohl die guten alten Zeiten heraufbeschworen als auch die Sehnsucht nach dem verlorenen Szene-Paradies besungen. In „New London Boy“ erinnert sich der Sänger an die Glamrock-Phase der Siebziger Jahre, wo alle zu „Roxy and Bowie“ tanzten, wie es in dem großartigen Sprechgesang in der Mitte des Liedes heißt. Nostalgie pur auch auf der Suche nach „A new Bohemia“ im gleichnamigen Opus. Und „Dancing Star“ ist eine retrospektive Hommage an die Ballett-Ikone Nurejew. Zeitgeistiger kommt „The Schlager Hit Parade“ daher, die mit herrlicher Ironie die deutsche Volksmusik feiert und mit denglischen Slogans gespickt ist wie „Glühwein, wurst and sauerkraut“ oder „Gesundheit to Europa!“. „Bullet for Narcissus“ wirkt textlich besonders aktuell, scheint der Song auf den sich derzeit überall breit machenden rechtspopulistischen Autokraten anzuspielen.

Musikalisch bewegen sich die Pop-Giganten zwar auf weitgehend vertrautem Terrain, wagen aber trotzdem den sicheren (Tanz)Boden immer mal zu verlassen. Klassische Rhythmen und eingängige Melodien mit Ohrwurmeffekt, aber mehr Musik zum Zu- und Hinhören als ausgemachte Disko-Kracher. Zum Tanzen lädt lediglich der Song mit dem sinnfälligen Titel „Why am I dancing?“ ein, der trotz einfacher Struktur zu den besten des Albums gehört. Auf Elektro-Extreme und Synthie-Sounds wird bei der neuen Scheibe verzichtet. Pop ohne Schnörkel, oft gefällig akustisch, mitunter hymnisch orchestral. Und doch ist jedes Stück von unverwechselbarer Originalität.

Herausragend ist das Finale, „Love is the Law“. Eine Ballade mit harter Rhythmik und treibendem Gesang; inhaltlich von käuflicher Liebe handelnd, aber musikalisch wie ein Aufschrei gegen die fortschreitende Verrohung unserer Gesellschaft wirkend. Der passende Soundtrack zu unserem neuen Jahrtausend, das vor allem von handgemachter Tragik bestimmt wird. Diese wird in dem fünf Minuten dauernden Meisterwerk eingefangen und auf eindrückliche Weise intoniert. Der Titel macht allein schon „Nonetheless“ zu musikalisch großem Kino.

Abschließend sei erwähnt, dass das Album wahlweise zusammen mit der Bonus-EP Furthermore erhältlich ist, mit neuen Versionen von PSB-Hits aus den Achtzigern. Nostalgie – da ist sie wieder.

Pet Shop Boys: Nonetheless

Cagemusic Ltd / Kobalt Music Ltd

VÖ: 26. April 2024

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