Spinnereigelände Leipzig, Halle 14, mit Gundula Eldowy und Robert Frank
Gundula Schulze Eldowy (*1954) begegnete Robert Frank (1924–2019) zum ersten Mal 1985 in Ostberlin. Der damals 61-jährige war bereits eine Legende der Fotografie des 20. Jahrhunderts. Sein Bildband „The Americans“ von 1958 gilt als Paukenschlag der Fotokunst. Mit seiner Leica-Kamera hielt er den USA in genialen Schnappschüssen einen Spiegel vor, zeigte seine Faszination für den American Way of Life, aber auch seine Schattenseiten. Der New Yorker mit Wurzeln in Deutschland und der Schweiz weilte in Westberlin, um den Dr.-Erich-Salomon-Preis zu empfangen und eine Einzelausstellung im Amerikahaus zu eröffnen.
Gundula Schulze Eldowy war damals 31 Jahre alt. Sie hatte ihr Studium der Fotografie 1984 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig abgeschlossen. Doch ihre Vorbilder hatte sie bereits im unerreichbar fernen New York gefunden, den Fotografen Paul Strand (1890-1976) und die Fotografin Diane Arbus (1923-1971). Beide sind für ihre sozialkritischen Aufnahmen bekannt. Außerdem zählte sie den für die Straßenfotografie stilprägenden Franzosen Henri Cartier-Bresson (1908-2004) zu ihrem Leitstern, den sie 1988 in Ostberlin ebenfalls persönlich kennenlernen durfte. Gundula Schulze Eldowy lebte damals im Zentrum Ostberlins.
Sie machte schonungslose Aktaufnahmen und porträtierte einfache Menschen im verwahrlosten Altberliner Milieu des Scheunenviertels. Ihre Fotografien widersprachen der idealisierten Bildwelt des Sozialismus. Bei aller schockierenden Direktheit ihrer Aufnahmen, bewahren die Porträtierten jedoch Würde und die Bilder wirken durchaus poetisch. Anlässlich des Besuchs von Robert Frank in Ostberlin versammelte sich die ostdeutsche Fotoszene, um ihm ihre Bilder zu zeigen. Eine Fotografie von Roger Melis (1940-2009) hält den Moment fest, wie Frank die Abzüge von Schulzes Serien „Aktportraits“, „Arbeit“ und „Tamerlan“ betrachtet. Er soll erstaunt bemerkt haben „You’ve got eye!“ und fragte sie: „Möchtest du eine Ausstellung in New York haben?“
Kern dieser Ausstellung sind vier Fotoserien von Gundula Schulze Eldowy, die zum Großteil zwischen 1990 und 1993 in New York City entstanden sind. „Halt die Ohren steif“ (1990-1993) lässt den Betrachter in Robert Franks Leben in der Bleecker Street in Manhatten eintauchen, macht uns bekannt mit seiner Frau, der Bildhauerin June Leaf (*1929) und seinem Sohn Pablo Frank (1951-1994). Sie entführt uns aber auch zu Franks Künstlerfreunden und in die New Yorker Kunstszene, wo Schulze Eldowy den Beatpoeten Allen Ginsberg (1926-1997) und Peter Orlovsky (1933-2010) sowie dem Fotografen Ted Croner (1922-2005) begegnet. Im Auftrag der New York Times porträtiert sie den Theatererneuerer Robert Wilson (*1941), traf die Ikone postmoderner Fotografie Cindy Sherman (*1954) und die Fotografin Ann Mandelbaum (*1945). Diese Fotoserie wird ergänzt durch historische Dokumente aus dieser Zeit und einigen Aufnahmen von F. C. Gundlach (1926-2021), Roger Melis (1940-2009), Wolfram Adalbert Scheffler (*1956), Helfried Strauß (*1943), Hans Witschi (*1954) und Krzysztof Wójcik.
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