„Gabrielle”, der neue Film von Patrice Chéreau (Jenifer Hochhaus)

Gabrielle – Liebe meines Lebens
Frankreich/Italien 2005, 90 Min
Regie: Patrice Chéreau
Buch: Patrice Chéreau und Anne-Louise Trividic nach der Kurzgeschichte „Die Rückkehr“ von Joseph Conrad
Darsteller: Isabelle Huppert, Pascal Greggory, Claudia Coli, Thierry Hancisse
Kinostart: 12. Januar 2006Liebe, Eifersucht und einiges mehr

Eine Frau betrügt ihren Mann und kehrt dann zu ihm zurück. Eine typische Geschichte, wie sie alltäglich passiert und wahrscheinlich noch viel öfter in Filmen gezeigt wird. Und dennoch schafft es Patrice Chéreau in seinem neuen Film „Gabrielle“ keine typische Geschichte zu zeigen, sondern eine Geschichte, die bewegt, schockiert und gerade wegen ihrer Melancholie fasziniert.

Die Geschichte spielt in Paris, um 1912, in einer bürgerlichen Gesellschaft, die geprägt ist von gesellschaftlichen Empfängen, Reichtum und Luxus. Gabrielle, gespielt von Isabelle Huppert, verlässt ihren Mann für einen Liebhaber und kehrt dann nach einigen Stunden doch wieder zu ihm zurück. Zu diesem Zeitpunkt hat Jean, gespielt von Pascal Greggory, jedoch ihren Abschiedsbrief bereits gelesen. Daraufhin beginnt zwischen beiden ein intimes Duell über die Frage nach dem Schuldigen und der Bedeutung von allem. Versuchen die beiden anfangs noch, den Betrug vor anderen, selbst den Dienstboten geheimzuhalten, werden sie mit der Zeit immer offener, zeigen ihre wahren Gefühle und auch ihre persönlichen Abgründe.

Dabei wird der Zuschauer hineingezogen in die Spannung, die zwischen Gabrielle und Jean herrscht, in die Melancholie und Resignation, die Gabrielle ausstrahlt, und in die Verzweiflung, die Jean sogar dazu treibt, seine Frau zu vergewaltigen. Gerade dadurch, dass zwischen Jean und Gabrielle vieles nur angedeutet bleibt, kann sich der Zuschauer zwischen den beiden nicht entscheiden, versteht mal den einen, mal den anderen besser. Das wird besonders dadurch verstärkt, dass sich beide mal offen und – im wahrsten Sinn des Wortes -ungeschminkt zeigen und mal kühl und beherrscht. Dabei gibt es keinen Augenblick, in dem man Isabelle Huppert und Pascal Greggory nicht glaubt – so authentisch spielen sie. Gerade durch ihre permanente Präsenz, durch die sie den Film fast allein tragen und Nebendarsteller (bis auf zwei) keine Rolle spielen, fühlt man sich ihnen verbunden.

So schafft es Patrice Chéreau, zum einen durch die passende Besetzung, aber auch durch seine Bildästhetik und die Geräuschkulisse, den Zuschauer komplett in den Film hineinzuziehen. Die Spannung wird vor allem durch Brüche erreicht. Mal spürt man die Stille, hält sie kaum noch aus und dann wieder ertönt laute Musik, die sich steigert und schließlich wieder in totale Stille abfällt. Dadurch, aber auch durch den Bildschnitt erinnert der Film an einen Stummfilm. Da sind Szenen komplett in Schwarzweiß gehalten, da werden Sätze eingeblendet und nicht gesagt, da steigert sich die Spannung – und dann im entscheidenden Augenblick folgt ein Black.

„Gabrielle“ ist ein Film, der Melancholie ausstrahlt ohne kitschig zu werden, der eine typische Geschichte erzählt ohne typisch zu werden und der beeindruckt, ohne dass man genau weiß warum.(Jenifer Hochhaus)

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