Das Leben ist kein Kindergeburtstag

„Un heurex événement“ von Remi Bezançon zeigt, wie aus Verliebten Eltern werden ― mit schlagfertigen Dialogen, die über Klischees hinwegtrösten

Die Idylle trügt: Barbara (Louise Bourgoin) und Nicolas (Pio Marmaï) werden bald Eltern sein

Barbara (Louise Bouroin) studiert Philosophie und arbeitet gewissenhaft an ihrer Karriere an der Uni. Sie ist selbstbewusst, schön, klug und weiß ziemlich genau, was sie will. Doch dann will sie Nicolas (Pio Marmaï), Aushilfe in der Videothek um die Ecke. Es folgt: verliebtes Rollerfahren durchs sommerliche Paris, aufregender Sex, schließlich eine gemeinsame Wohnung. „Ich will ein Kind mit dir“, flüstert Nicolas dann an einem heißen Sommernachmittag in Barbaras Ohr, und die flüstert völlig von Sinnen zurück: „Mach mir eins“. Barbara wird schwanger. „Un heureux événement“ ― „Ein freudiges Ereignis“ ― könnte man meinen. Könnte man.

Remi Bezançon hat in der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Eliette Abecassis „Un heureux événement“ versucht, ein Gegengewicht zu Bildern von unschuldigem, zahnlosen Lächeln und Welten, weich wie Babypopos, zu finden. Schon in „C’est la vie, so sind wir, so ist das Leben“, Bezançons überaus erfolgreichem Kinodebüt, stand die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Familie im Mittelpunkt. Eine nicht unwichtige Zutat des Erfolgsrezepts ist dabei sicherlich die Auswahl der unverschämt gutaussehenden Hauptdarsteller, die von seinen Geschichten durch den Fleischwolf der Realität gedreht werden. Zu gerne guckt man auch Barbara und Nicolas bei ihrer angenehm menschlichen Verzweiflung zu.

Das Baby ist da und die Freude nicht immer ungetrübt (Fotos: Verleih)

Das Baby ist ein Fremdkörper, ein Parasit, der den Körper verändert, sich nimmt was er braucht und nichts so lässt, wie es vorher war. Der Beckenbodentrainer diagnostiziert: „ausgeleiert, wie eine Hängematte, in die sich ein Elefant hat plumpsen lassen“. Von den promisken Zeiten kaum noch was übrig. Milchflecken, Kotzflecken, Scheißflecken. Und Geschrei, stundenlang. „Früher war ich romantisch“, schluchzt Barbara, mit den von der überfordernden Mutterrolle verquollenen Augen. Das Pärchen vor mir, sie schwanger, fängt an, unruhig auf den Kinosesseln hin und her zu rutschen. Anfangs lichtdurchflutet, hüllt Bezançon sein Pärchen postnatal in unangenehm bläuliches Licht. Gnadenlos werden die Schatten unter ihren Augen betont, die Blässe ihrer Gesichter und der bittere Zug um die Mundwinkel. Louise Bouroin kann dabei die Bandbreite ihrer Barbara von augenzwinkernd klischeehaft bis ergreifend ernst ausschöpfen. Pio Marmaï nimmt man den Wandel vom schludrigen Videothekenaushilfen Nicolas zum seriösen, Anzug tragenden Büroangestellten, den er schließlich in seiner neuen Vaterrolle verkörpert, nicht ab. Er kommt zu oft nicht über die Oberfläche hinaus, spielt zurückhaltend, unbeteiligt und ungreifbar.

Die Story zieht die bekannten Schubladen auf, verändert den Inhalt dann aber doch auf überraschende Art und Weise. Da wäre Barbaras herrlich relaxte Mutter (Josiane Balasko), die der entnervten Tochter erst mal einen entspannten Marihuana-Aufguss anbietet, neben der bösen Schwiegermutter (Gabrielle Lazure), die ihren Nicolas fünf Jahre gestillt hat und die überforderte Barbara mit irrem Stalker-Blick begutachtet. Dann: Barbaras Gespräche mit der besten Freundin (Anaïs Croze), in denen es fast ausschließlich um Penisse geht und schließlich, nach Barbaras Zusammenbruch, der Roman statt der Doktorarbeit. Doch ob es am gut durchdachten Drehbuch liegt oder an der französisch-sprachbedingten Schnelligkeit der Dialoge ― die Schlagfertigkeit, welche die tragischsten Situationen begleitet, tröstet schnell über das schon oft Gesehene hinweg.

Bezançon fragt mit Barbaras und Nicolas kriselnder Liebesgeschichte: Was bedeutet die Entscheidung, Kinder zu kriegen? Was bedeutet es, Mutter zu werden? Hechelnd jede Woche in der Yoga-Halle hocken? Die ehrgeizigen Unikarrierepläne vorwurfslos und selbstverständlich für die neue Rolle hinten anzustellen? Bezançons Barbara will und kann nicht irgendein Mutterbild abgeben. Sie will eine authentische Mutter sein, sucht nach echten Gefühlen für ihr Kind und hat unglaubliche Angst, sich selbst dabei zu verlieren. Es ist der Urmythos Muttersein, vermischt mit den Ängsten einer Generation, die im Zwielicht von Entwürfen des scheinbar perfekten Lebens die Individualität des eigenen Lebens panikartig erhalten will und doch irgendwie aufgeben muss. Wenn sich Barbara und Nicolas schließlich ratlos gegenübersitzen, weiß man nicht, auf was man jetzt hoffen soll. Das Pärchen vor mir jedenfalls hat sich trotz allem wieder beruhigt.

Un heureux événement

Frankreich/Belgien 2011, 110 Minuten

Regie: Rémi Bezançon; Darsteller: Louise Bourgoin, Pio Marmaï, Josiane Balasko, Thierry Frémont, Gabrielle Lazure, Firmine Richard, Anaïs Croze, Daphné Bürki

Kinostart: 4. April 2013


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