III. Festival für Vokalmusik „a cappella” mit Ensemble Huun-Huur-Tu aus Tuva (Susanne Krostewitz)

11. Mai 2001

Evangelisch-Reformierte Kirche am Tröndlinring

III. Festival für Vokalmusik ?a cappella?

Konzert mit dem Ensemble Huun-Huur-Tu aus Tuva

Ferne Klänge

Genau genommen war es kein a-cappella-Konzert. Doch dieses Konzert fiel sowieso aus dem Rahmen, denn es war bestechend und einzigartig. In einer bis auf den letzten Platz besetzten Kirche und einer überaus gespannten Atmosphäre war das ein Konzert der ganz besonderen Art.

Was man sich unter Obertongesang vorzustellen hat, wurde in einem erläuternden Einführungsvortrag erklärt. Verbindet man doch Obertöne häufig nur irgendwie mit Asien, mit buddhistischen Mönchen in Klöstern, langen ausgehaltenen „OOOOHM’s“ und dies alles zu Meditationszwecken. Davon hier aber keine Spur. Obertongesang ist mehr, viel mehr.

Vier Musiker waren angekündigt, die aus einem Land kamen, daß der größte Teil der Konzertbesucher wohl kaum kannte. Tuva, ein Kleinststaat in Zentralasien, einstmals zur Sowjetunion gehörend, hat sich durch seine Abgeschiedenheit die besonderen historischen Wurzeln und Eigenheiten erhalten. Nicht nur der Schamanismus ist hier zu Haus, sondern auch eine besondere Gesangskunst, das Obertonsingen. Regelmäßige Wettstreite darin finden noch heute statt. Meister dieses Könnens waren im Konzert zu hören.

Die traditionelle Musik ist natürlich durch Themen bestimmt, die stark mit der Heimat verbunden sind. Und in der Steppe spielen Pferde eine besondere Rolle, so auch in vielen Stücken. Pferdegetrappel wird imitiert, und das wichtigste traditionelle Instrument – das Igil – ist eine Art zweisaitige Geige mit einem geschnitzten Pferdekopf am Hals. Weitere traditionelle Instrumente sind nunmehr eine Art Laute mit zwei oder drei Saiten, der Toschpulur, ein weiteres mit Bogen gestrichenes Saiteninstrument, sowie die große Trommel und weitere Schlaginstrumente (Vase, Pferdehufe o.ä.). Auch bei der Spielweise der Instrumente war das Erklingen des Obertons gewolltes Mittel, Flageolett-Spielen gehörte natürlich dazu.

Die Stücke selber boten eine Vielfalt an Ausdrucksmitteln: vom elegisch sehnsuchtsvollen Gesang angefangen, über Liebeslieder bis hin zu rhythmisch stark akzentuierten Stücken über Pferde, lange Reisen und die Heimat. Besonders fiel der Einsatz von Mundorgeln, der zum Teil mit Gesang vermischt wurde, in den schlichteren Liedern auf. Hierbei standen traditionelle Weisen neben neuen Liedern, aber auch die Symbiose aus beiden kam vor.

Doch am meisten beeindruckte wohl der Khöömei, der Oberton- und Kehlkopfgesang. An jenem Abend erklangen drei verschiedene Stile davon, alle im tuvinischen zu Hause. Der Sygyt ist ein sehr hoher Obertongesang, der wie starkes Pfeifen klingt, mehrere Töne können auch gleichzeitig erklingen. Hiermit begeisterte besonders Alexei Saryglar, sonst an der Trommel, mit dem dritten Lied, einem Lied über die Heimat. Eine weitere Art von Kehlkopfgesang (Borbangnadyr) zeigte Anatoli Kuular. Mit einem sehr tiefen Grundton wurden hier sowohl Töne in der Tiefe als auch in der Höhe verstärkt. Ihr rollender, anschwellender und abschwellender Klang wirkt sehr, sehr fremd. Im zweiten Teil des Konzertes erklang dann die dritte Art, der Kargyraa. Ein Obertongesangsstil, der nun doch an die Klänge tibetanischer Mönche erinnert, nur daß sich hier zusätzlich die Terzen mitverstärken und es wiederum zu mehrstimmigen Klängen kommen kann. Alle Arten dieses Gesanges sind ein für uns unerklärbares Phänomen und wunderbar anzuhören.

Auf die Frage, was der Name des Ensemble bedeutet, geben die kleinen asiatisch anmutenden Musiker folgende Antwort – nur schwer verstehen wir, was sie damit meinen. Huun-Hur-Tu bezeichnet die vertikale Trennung von Lichtstrahlen, die man oft über Gras oder Weideland kurz nach Sonnenaufgang und kurz vor Sonnenuntergang sieht.

Wahrscheinlich gehört zu dieser Art von Musik eine besondere Passion und eine unendliche Liebe zur Schönheit des Landes. Die Gruppe, die seit einigen Jahren sehr gefragt ist und einen enormen Erfolg verzeichnen kann, lebt in Kysyl, der Hauptstadt von Tuva. Vielleicht sollte unsere nächste größere Reise einmal dorthin gehen?

(Susanne Krostewitz)

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