Trauerfeier für Giuseppe Sinopoli (Wolfgang Gersthofer)

14. Mai 2001, Semperoper

Trauerfeier für Giuseppe Sinopoli

Mit dem Larghetto aus der ?Frühlingssinfonie? Robert Schumanns, der Sinfonie, die Giuseppe Sinopoli in seinem letzten Dresdner Sinfoniekonzert dirigiert hatte, wurde die würdige Trauerfeier für den so plötzlich verstorbenen Staatskapellenchef eröffnet. Die Leitung des Orchesters hatte derjenige Maestro inne, der jetzt der Kapelle wohl am nächsten steht: ihr Ehrendirigent Sir Colin Davis. Die so sakral anmutende Posaunenstelle ganz kurz vor dem verhallenden Streicherausklang dieses Schumann-Satzes geriet bei dieser Gelegenheit zu einer Art Abgesang auf den italienischen Dirigenten, dem die Welt der deutschen Romantik keineswegs fremd war.

Staatsminister Prof. Dr. Hans Joachim Meyer hielt daraufhin die erste, sozusagen ?offizielle? Gedenkrede. Er zeichnete ein kurzes Porträt von Sinopoli als einem in rücksichtsloser Hingabe für seine Berufung Entbranntem, wies auf die lange Tradition von italienischen Musikern in Dresden hin und erinnerte sich dann jenes ?denkwürdigen Gesprächs? vom Juni 2000, in welchem der Maestro dem Minister sein zukünftiges künstlerisches Konzept für Dresden erläuterte und das zur wichtigen Grundlage im Hinblick auf den Vertrag wurde, der Giuseppe Sinopoli ab 2003 als Generalmusikdirektor mit vielversprechenden Perspektiven noch enger an die Elbmetropole gebunden hätte. Meyer beendete seine Rede aber nicht ohne zu betonen, daß der Verlust, den die Musikwelt erlitten habe, sich nicht messen dürfe mit demjenigen, den die Familie, die Ehefrau und die beiden Söhne, zu tragen hat.
Aus freudschaftlich-kollegialer Position gedachte Peter Ruzicka ? durch die vor kurzem erfolgte Uraufführung seiner ersten Oper ?Celan? der Semperoper frisch verbunden ? des allzu früh Verstorbenen und gab dabei manch interessante Einblicke in dessen Persönlichkeit. Er sprach davon, wie er 1978 in Donaueschingen Sinopoli getroffen habe ? Sinopoli, der damals als der interessanteste der jungen italienischen Komponisten gegolten habe. Seine wenige Jahre später in München uraufgeführte Oper ?Lou Salomé? (1981) hätte ? so Ruzicka ? mehr Erfolg verdient gehabt; die Zeit für eine neuerliche Begegnung mit dem Werk wäre wohl jetzt reif ? vielleicht sei dieses Haus dafür geeignet fügte Ruzicka, ins Rund der Semperoper blickend, hinzu. Aus dem jungen Komponisten wurde bald der gefragte Maestro, Ruzicka machte auf den erstaunlichen Umstand aufmerksam, daß Sinopolis internationale Dirigentenkarriere Anfang der 80er Jahre am gleichen Pult begonnen hatte, an dem sie nun, im April 2001, so tragisch endete, dem der deutschen Oper Berlin ? damals ?Macbeth?, jetzt ?Aida?.

Auch Ruzicka konnte sich auf ein kürzliches Gespräch mit dem Italiener, gemeinsame Zukuntfspläne betreffend, beziehen: Der neue Salzburger Festspielchef hatte sich mit Sinopli auf einige Strauss-Aktivitäten (z. T. auch unter Mitwirkung der Kapelle!) geeinigt.

Schließlich verwies Ruzicka auf Aufzeichnungen Sinopolis, in welchen dieser den heutigen Musikbetrieb als gewissermaßen zu sehr nur zelebrierend bewertet habe ? in früheren Zeiten hätten die Dirigentenkollegen noch selber Essays verfaßt!

Zu einem besonderen Erlebnis wurde nun die Aufführung des Brahmsschen ?Deutschen Requiems? (das Sinopoli vor gut 5 Jahren im Gedenkkonzert zur Zerstörung Dresden dirigiert hatte) unter Colin Davis, mit Angela Maria Blasi und Alan Titus als Gesangssolisten. Eindrucksvoll schon die äußeren Umstände, die beifallslose Stille vor und nach der Musik, die Gedenkminute, zu der sich das ganze Publikum erhob. Und dann nimmt man eine solche Requiemskomposition bei einem konkreten Traueranlaß einfach anders wahr als im ?normalen? Konzert. Das wirkte sich schon bei den anfänglichen, so ungemein tröstlichen Bratschenphrasen aus. Auch von der Wucht des durch Davis machtvoll ins Werk gesetzten Ausbruchs bei ?Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit? war man irgendwie anders berührt als sonst. Oder vom himmlischen Gesang, den die Sopranistin im 5. Satz so wundervoll anstimmte: ?Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wieder sehen und euer Herz soll sich freuen ??.

(Wolfgang Gersthofer)

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