Jazzkonzert mit Till Brönner (Nico Thom)

18. Juli 2001 Schaubühne Lindenfels

Jazzkonzert mit Till Brönner

Till Brönner – Trompete, Flügelhorn, Gesang
Frank Chastenier – Piano, Fender Rhodes
Martin Scales – E-Gitarre
Timothy Lefebvre – Kontrabaß, Baßgitarre
Zach Danziger – Schlagzeug
Samon Kawamura – DJ (Plattenspieler)

Die Generation X des Jazz

Wahre Jazzpuristen waren beim Till Brönner Konzert in der Schaubühne sicher nicht zugegen. Entweder weil sie ihn nicht kennen, was für aufmerksame Konsumenten eher unwahrscheinlich sein dürfte, da Brönner in allen Medien präsent ist, oder weil sich seine Musik nicht mit ihren ästhetischen Vorstellungen deckt. Jedenfalls blieb die Jazzpolizei an diesem Abend, ob nun bewußt oder unbewußt, der Schaubühne fern. Dafür pilgerten mehrere Hundertschaften von erwartungsfrohen und aufgeschlossenen Menschen in die Plagwitzer Kultstätte, um einen Eindruck von dem hochgelobten Trompeter zu erhaschen.

Till Brönner als den emporstrebenden deutschen Nachwuchstrompeter schlechthin zu bezeichnen ist mittlerweile längst hinfällig, da er mehr Platten verkauft haben dürfte als jeder andere deutsche Jazztrompeter. Der 30-jährige spielt nun in der internationalen Oberliga mit und pflegt Kontakte zur New Yorker Jazzszene, die ja bekanntlich den Weltmarkt bestimmt. Da kommt es nicht von ungefähr, daß Brönner, der auch als Produzent von Hildegard Knef und Manfred Krug von sich reden macht, seine Band zum Teil mit New Yorker Musikern bestückt hat.

Das Konzert in der Schaubühne begann mit der obligatorischen Verspätung, bei der der Bogen der Erwartung bis zum Anschlag gespannt wurde, um hernach einen musikalischen Pfeil auf das Publikum abzufeuern, der sein Ziel nicht verfehlte. Da wurde nichts ausgelassen was auch nur irgendwie gefallen könnte. Brönner wagte den Spagat von progressiver zu traditioneller und schließlich bis hin zu poppiger Musik. Er übersprang die Genregrenzen quasi im Hürdenlauf. Bei dieser jugendlichen Unbeschwertheit konnte man sich schon manchmal ein wenig auf den Schlips getreten fühlen; wenn da beispielsweise im swingenden Chet Baker Song „Blues for Peggy“ DJ Kawamura ein Solo auf den Plattenspielern scratchte oder nach stimmungsvoller Ballade ein krachendes Drum’n’Bass-Stück folgte. Die Band nutzte alle technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts – angefangen vom eingespielten Streichersample bis hin zum Trompetensynthesizer.

Doch Brönner und Band gaben nicht viel auf Stilkontinuität und Purismus. Sie zeigten, daß sie jener Generation von Musikern angehören, welche die Tradition beherrscht und zu schätzen weiß, sie jedoch nicht als unantastbar bzw. heilig versteht. Sicherlich bedarf dieser breit angelegte Stilmix einiger Gewöhnung und ist in einzelnen Punkten auch kritisierbar – wenn bestimmte stilistische Mittel möglicherweise nur eingesetzt werden, um die Musik besser zu vermarkten – und dennoch muß man die Professionalität und Individualität der Musiker, besonders ihres Bandleaders, hervorheben und das Progressive dieser Musik betonen. Auch Chet Baker verband Kommerz und musikalische Eigenständigkeit auf eine Art und Weise, die bis heute an Wirkung nicht verloren hat und in diesem Sinne ist der Titel der neuesten Till Brönner CD: „Chattin with Chet“ durchaus gerechtfertigt. Till Brönner ist dem Idol Chet Baker in vielerlei Hinsicht ähnlich: er sieht gut aus, er spielt phantastisch Trompete, er kann singen, er hat einen unverkennbaren Stil, er verkauft sich gut, er ist ein toller Entertainer – alles Attribute eines echten Stars. Till Brönner ist ein Star – auch wenn es noch lange dauern wird, bis noch der letzte Jazzfan (Rezensent eingeschlossen) einsieht, daß der Traum vom antikommerziellen Jazz ohne Marktattitüden längst ausgeträumt ist.

(Nico Thom)

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