Abschlusskonzert der Festwoche „20 Jahre Neues Gewandhaus” (Wolfgang Gersthofer)

12. Oktober 2001

Festwoche ?20 Jahre Neues Gewandhaus? Abschlußkonzert

Detroit Symphony Orchestra ? Leif Segerstam

Jean Sibelius (1865?1957): Finlandia op. 26

Antonin Dvorak (1841?1904): Konzert für Violoncello und Orchester h-moll op. 104
Solist: Truls M?rk

Sergej Rachmaninow (1873?1943): Sinfonische Tänze op. 45

Von tristen Walzern und ungarischen Tänzen

Das Detroit Symphony zum Abschluß der Gewandhaus-Jubiläumswoche

Für den Ausklang der Festwoche zum 20jährigen Bestehen des Neuen Gewandhausbaus hatte man ? nachdem zu (Fest-)Wochenmitte eines der großen europäischen Orchester (London Philharmonic) zu Gast war ? einen symphonischen Klangkörper aus der neuen Welt eingeladen. Keines freilich der ganz großen amerikanischen Orchester, keines aus den Big Five, sondern ein hierzulande wohl weniger bekanntes: das Detroit Symphony.

Gleich die ersten Takte des ersten Programmpunktes ließen ein Markenzeichen so mancher amerikanischen Orchester akustisch spürbar werden: ein sattes blitzblankes Blech! Wo dieses dann später im Stück seinen Teil zum großen nordländischen Tutti-Sound beizutragen hat, taten sich allerdings die Streicher schwer mitzuhalten, sie verfügten nicht über entsprechend voluminöse Tonreserven. So litt das Sibelius?sche Orchester-Paradestück doch etwas unter dem leicht unausgewogenen Klangbild.
Zu Dvoraks berühmten b minor concerto op. 104 nahm der Cellist auf dem Klavierhocker Platz. Truls M?rk gehört nicht unbedingt zu den Vertretern eines vollsaftig-runden Celloklangs (? la Rostropowitsch); sein Ton ist vergleichsweise hell, manches Mal vielleicht auch ein bissl eng. Am meisten überzeugte er daher mit schönen piano-Stellen, mit vielen feinen Nuancierungen.

Weniger profiliert erschien dagegen der orchestrale Teil des Dvorakschen Meisterwerkes. Die Tuttipartien kamen in den Streichern glatt (und kühl) daher, die Trompeten agierten immer ziemlich direkt; vieles wirkte irgendwie so gerade. Leif Segerstam, der finnische Maestro, dessen Barttracht an einen aus Hamburg stammenden Komponisten des 19. Jahrhunderts denken läßt, gab hier offenbar nicht genügend Impulse für ein biegsameres Spiel. So vermißte Rezensent ein wenig jene (böhmische) Sonne, die nach einem Bonmot des seinerzeitigen Starkritikers (und berühmten Musikästhetikers) Eduard Hanslick ? damals, in der guten alten k. u. k.-Metropole waren Musikkritiker noch Universitätsprofessoren ? immer in Dvoraks Musik scheine. Am besten geriet wohl noch der langsame Satz mit seinen warmen Klarinettenpassagen.

Einen deutlich besseren Eindruck hinterließen die Orchestermusiker aus der großen amerikanischen Autometropole nach der Pause. In den späten Rachmaninowschen Sinfonischen Tänzen delektierte man sich an schwelgerischen wie auch elegisch-versonnenem Streicherklang (für letzteres sei beispielsweise auf die respektable, von Segerstam schön ausgekostetem, Valse triste-Melodie im Mittelsatz verwiesen); auch konnten die (gestopften) Trompeten, zu Beginn des zweiten Satzes, Piano-Kultur demonstrieren. Im dritten und Letzten ?Tanz? schlug noch einmal die große Stunde des Blechs, an einer Stelle durften gar die 5 Hörner ihre Schalltrichter in die Höhe reißen (was sie mit einer ? amerikanischen Orchestern oft eigenen ? unaufgesetzten Selbstverständlichkeit taten). Die Blechbläser spielten eine wichtige Rolle beim Rückgriff auf das Dies irae-Motiv (aus der alten gregorianischen Requiems-Sequenz), durch welchen sich Rachmaninows Werk in eine lange Traditionsreihe (die Berlioz? ?Symphonie fantastique? oder Liszts ?Totentanz? einbegreift) stellt.

Es war wohl kein denkwürdiger Abend, mit dem das Gewandhaus seine Festwoche beschloß, die Leute aber waren?s sehr zufrieden und erklatschten sich ? schon im ersten Programmteil hatten sie mit Applaus, auch spontanem nach dem Dvorakschen Kopfsatz, nicht gegeizt ? zwei populäre Zugaben des willigen Orchesters: den berühmtesten Ungarischen Tanz der Musikgeschichte (in der etwas launigen Ansage verwies Segerstam auch auf sein persönliches Bart-Vorbild) und ? passend zum mittleren Rachmaninow-Satz ? den vielleicht traurigsten, sicherlich aber berühmtesten aller traurigen Walzer.


(Wolfgang Gersthofer)

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