Felix Mendelssohn Bartholdy: Die Hochzeit des Camacho (Juliette Appold)

02. November 2001 Opernhaus

Felix Mendelssohn Bartholdy Die Hochzeit des Camacho – Oper in zwei Akten

Mitwirkende: am Ende des Beitrages

Viel Musik für wenig Proben

Felix Mendelssohn Bartholdys ?Die Hochzeit des Camacho?
als konzertante Aufführung

Die schöne Quiteria wird dem reichen Camacho zur Hochzeit versprochen. Sie liebt aber schon seit jungen Jahren Basilio und hat diesem die Treue geschworen. Zwei Akte lang haben nun Quiteria und ihre Freunde Zeit, sie vor der Heirat mit Camacho zu bewahren. Und in letzter Minute gelingt es Basilio tatsächlich noch durch einen Trick, seine Geliebte vor den Augen des Rivalen und gar noch mit dessen Einverständnis zu heiraten.

Mendelssohn begann an dieser Oper zu schreiben, als er erst 15 Jahre alt war. Mit 17 hatte er sie vollendet. Sie wurde in Berlin1827 uraufgeführt, aber blieb ohne größere Resonanz. Seitdem wurde sie nie wieder szenisch aufgeführt. Auch in Leipzig gab es nur eine konzertante Aufführung. Und damit die nicht gar zu trocken geriet, hatte man kurzerhand die Rolle eines Erzählers hinzugefügt, der die einzelnen Situationen und Akte ankündigte und mit Witz die Erwartungen des Publikums dirigierte. Dies war dem ?netten? Eindruck, den die Oper hinterließ, durchaus förderlich, hatte man ihr doch insgesamt nur fünf Proben zugestanden. Aber angesichts der fast unbekannten Musik war es weniger schwer, hier und da mal ein Auge zuzudrücken, wenn Orchester oder Sänger nicht ganz exakt spielten oder sangen. So lobenswert es auch ist, die ?Hochzeit des Camacho? wieder auf die Bühne zu bringen; am Ende hätte man sie sich doch lieber szenisch gewünscht und musikalisch ein bißchen ausgereifter.

Nach der schwungvollen und teilweise virtuos klingenden Ouvertüre beginnt die Handlung mit einem Liebesduett voll von süßen Tönen in A-Dur (?Beglücktes Jugendleben?). Dabei ergänzen sich die Stimmen gut: Quiteria singt voll und warm, Basilio geschmeidig und sensibel. Das Glück der Liebenden währt aber nicht lange, denn schon ist der Vater von Quiteria da. Entsetzt über die Turteleien der eigenen Tochter übertönt er im Terzett nun den Gesang des Paares: Mit tiefer Stimme und ausdrucksvoller Mimik verkündet er prägnant und fast martialisch, daß Camacho der Gatte seiner Tochter werden solle.

Der Erzähler kündigt Vivaldo und Lucinda an, und ein kurzes Duett der beiden im heiteren Ton verrät den schelmischen Charakter dieser Personen. Sie führen etwas im Schilde, was die Hochzeit des Camacho hinauszögern soll. Vor lauter Schelmischsein erinnert die Stimme des Vivaldo im Vibrato bisweilen an ein Meckern. Derweil stimmen sich die Dorfbewohner schon auf die bevorstehende Hochzeit ein mit rhythmisch typischen Mendelssohn-Ausrufen: ?Viva Camacho! Viva Quiteria! Reichtum und Schönheit in herrlichstem Bund!? Bei einer sich anschließenden Arie des Sancho, der in die Dorf-Freude mit einstimmt, scheint dieser so begeistert von seinem Part zu sein, daß er das Tempo anzieht, was bewirkt, daß das Orchester kurzzeitig hinterherstolpert.

Die Hochzeit ist also fest beschlossene Sache und Basilio hat vorerst das Nachsehen. Mit vielen Seufzermotiven in Moll entschließt er sich zum Rückzug: ?So scheid? ich denn von Haus und Dorf.? Grund genug für Quiteria, ebenfalls ? gebeugt auf sehnsüchtige Cello-Melodien ? zu lamentieren, ?weil ich dich heut verlor?. Mit wenig Vibrato aber viel Expressivität und dynamischer Zurückhaltung überzeugt Marika Schönberg an dieser Stelle. Musikalisch weniger spannend ist jedoch die Sorge der Quiteria, daß Basilio sich etwas angetan haben könnte. Eine etüdenhafte Gesangspartie im eher trabenden Tempo ist eine sehr gemäßigte Art, Todesangst um den Geliebten auszudrücken!

Quiteria macht sich auf den Weg in den Wald, um Basilio zu finden. Auch Carrasco, Camacho und deren Vettern begeben sich dorthin, wenngleich ohne Erfolg. Carrasco muß ständig für Ruhe sorgen. ?Stille, stille, stille…? singt er hastig und mit verzerrtem Gesichtsausdruck in einer wunderbar komischen Szene, die ein wenig an Rossinis berühmte Barbier-Arie erinnert. Bei all dem vergeblichen Gesuch und Gewirr wird es schließlich selbst Camacho zu viel. Der erste Akt endet mit seiner Aussage ?Mir vergeht die ganze Heiratslust.?

Im kürzeren, zweiten Akt wird die Lage ernst. Es soll zur Vermählung kommen, das Fest scheint unabwendbar. So jedenfalls verkündet der mittlerweile animierter gewordene Krause Zwieback, der nun auch größere Aufmerksamkeit vom Publikum gewinnt. Becken, Schellen, Triangel und kurze Melodien malen nun die spanische Kulisse für die unausweichliche Hochzeit, ohne daß ein glückliches Ende vorauszusehen wäre. Ein Kampf zwischen Liebe und Reichtum findet statt, und wenn der Chor singt: ?Die Liebe siegt in jedem Streit? und ?Ihr werdet aufgenommen im Himmelreich? klingt das so allerliebst, daß es schon wieder ironisch wirkt.

Basilio, der plötzlich wieder auftaucht, um sich öffentlich zu erdolchen, hat einen letzten Willen. Er möchte Quiteria vor seinem kurz bevorstehenden Tod heiraten. Camacho, der davon ausgeht, daß der Tod in wenigen Minuten eintreten werde, sagt zu, kann er doch Quiteria genauso gut als Witwe ehelichen. Doch als Basilio und Quiteria vermählt sind, erweist sich Basilios Tat als Täuschung. Wieder im Stile Rossinis singt Camacho in schnellem Tempo und flinken Worten sich seine Wut über den Betrug von der Seele. Unverständlicherweise lehnt er Basilios großzügiges Angebot: ?Schlaget ein … ihr seid mein Freund? ab und hat nur noch Schimpfworte wie ?Lügende, Heuchlerin? für seine ehemalige Braut übrig. Doch seine Flüche übertönt nun wieder der Chor, der jetzt nur noch einen anderen Namen in die feststehende Formel einsetzen muß: ?Viva Basilio! Viva Quiteria!?

(Juliette Appold)

Libretto von Friedrich Voigts nach einer Episode aus
Miguel de Cervantes‘ ?Don Quixote“
Musikalische Leitung: Christian von Gehren
Choreinstudierung: Anton Tremmel
Quiteria: Marika Schönberg, Sopran
Basilio, ihr Geliebter: Ferdinand von Bothmer, Tenor
Carrasco, ihr Vater: Jürgen Kurth, Bariton
Camacho, ein reicher Grundbesitzer:Martin Petzold, Tenor
Vivaldo: Dan Karlström: Tenor
Luicinda, seine Verlobte: Kathrin Göhring, Mezzosopran
Don Quixote: Martin Ackermann, Bariton
Sancho Panza, sein Diener: Alcalde
Verfasser und Erzähler der Zwischentexte: Wolfgang Krause Zwieback
Chor der Oper Leipzig – Gewandhausorchester

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