„Grosses Concert” – Love and Jazz: Filmmusik (Frank Sindermann)

„Grosses Concert“ – Love and Jazz: Filmmusik

Richard Wagner/Leopold Stokowski: „Tristan und Isolde“
Bernard Herrmann: „Vertigo“
Max Steiner: „Gone with the Wind“
Alfred Newman: „Twentieth Century Fox Fanfare“, „How to marry a Millionaire“
David Raksin: „Laura“
Leonard Bernstein: „On the Waterfront“
George Gershwin/Jascha Heifetz/M. Goldstein: „Porgy And Bess“
Andrew Lloyd Webber/John Mauceri: „Evita“

Gewandhausorchester, Dirigent: John Mauceri
Solist (Gershwin): Frank-Michael Erben, Violine


Ein Hauch von Hollywood

Kann Filmmusik für sich allein bestehen oder bedarf sie des Films, um ihre Wirkung zu zeigen? An dieser Frage scheiden sich nach wie vor die Geister. Die einen halten Filmmusik für eine bloße Begleitung, die anderen sehen in ihr eine eigenständige Kunstform. John Mauceri setzt sich schon seit vielen Jahren als Anwalt für die Aufführung filmmusikalischer Partituren im Konzertsaal ein, auch bereits mehrmals im Leipziger Gewandhaus. Das Programm verband dieses Mal Klassiker des Genres mit weniger bekannten Werken. Den thematischen Rahmen bildete der Ansatz, die Einflüsse Wagners auf die Filmmusik auf der einen, die Anregungen durch den Jazz auf der anderen Seite zu verdeutlichen. Dass bei diesem Vorhaben nahezu die Hälfte der Sitze leer blieb, ist wohl eher auf vorweihnachtlichen Stress und die starke Konkurrenz an Kulturangeboten als auf das Programm selbst zurück zu führen.

Leopold Stokowskis Bearbeitungen und Einrichtungen sind nicht jedermanns Sache. So kann man auch über seine Orchestrierung der Liebesnacht und Verklärung aus Wagners „Tristan und Isolde“ durchaus geteilter Meinung sein, wobei es fast kurios anmutet, ausgerechnet Wagner neu zu orchestrieren. Wie man auch immer zu der Fassung Stokowskis steht, Mauceri und das Gewandhausorchester haben ihr keinen großen Gefallen getan. Zu schwerfällig schleppte sich das Geschehen dahin, alles geriet etwas zu langatmig, zerfaserte zunehmend. Erfreulich war hingegen das sehr saubere Spiel der Blechbläser. Die Ausschnitte aus dem „Vertigo“-Soundtrack gerieten den Musikern weitaus besser. So gestaltete das Orchester unter Mauceris Dirigat überaus plastisch die psychischen Abgründe des Prélude, schwelgte mit warmem Streicherklang in der Sc?ne d´amour. Vor der Pause gab es dann noch eine der berühmtesten Filmmusiken überhaupt, als Ausschnitte aus „Vom Winde verweht“ erklangen. Hervorzuheben sind hier besonders die schönen Soli der Violine und des Horns. Das pompöse Finale, zusätzlich unterstützt durch die Orgel, verfehlte seine Wirkung nicht und machte neugierig auf den zweiten Teil des Konzerts.

Jeder Kinogänger kennt sie, die prägnante Erkennungsmelodie der Twentieth Century Fox. Maucery stellte sie der Ouvertüre zu „How to marry a Millionaire“ von Alfred Newman voran. Nachdem im ersten Konzertteil Wagners Musik den Bezugspunkt gebildet hatte, wurde nun den Einflüssen des Jazz nachgespürt. Nach der spritzigen Musik Newmans, die zum Teil stark an Gershwin erinnert, wurde ein in Ausdruckscharakter und Stil völlig anderer Soundtrack vorgestellt: David Raksins Musik zu „Laura“, die bewundernswert orchestriert ist (unter anderem mit Klavier, Celesta und Vibraphon). Gleich der basslastige, dunkle Streicherklang zu Beginn zieht einen unweigerlich in seinen Bann. Das Love Theme aus Bernsteins einziger Filmmusik „On the Waterfront“ wird durch seine schweifende Harmonik und motivische Fortspinnungstechnik geprägt. Die Aufführung war stellenweise leider etwas unpräzise, wäre auch noch klangschöner denkbar gewesen.

Als nächstes stand eine Bearbeitung zweier Nummern aus George Gershwins Oper „Porgy And Bess“ auf dem Programm, nämlich eine Einrichtung von Jascha Heifetz, der „Summertime“ und „It ain´t neccessarely so“ für Violine und Orchester bearbeitet hat. Konzertmeister Frank-Michael Erben führte den Solopart hervorragend aus, mit stets schlankem, geschmackvollem Ton, auch mit der bei Gershwin nötigen Leichtigkeit und rhythmischen Freiheit. Mauceri erwies sich als rücksichtsvoller Begleiter, der das Orchester ständig in engstem Kontakt zum Solisten hielt. Zum Abschluss des regulären Programms waren Ausschnitte aus Andrew Lloyd Webbers „Evita“ zu hören. Einen von ihnen hat Mauceri selbst für den von ihm dirigierten Filmscore hinzu komponiert. Für argentinisches Flair sorgten Instrumente wie Gitarre und Kastagnetten.

Nach dem eigentlichen Programm spendierte Mauceri noch drei Zugaben, unter anderem von George Gershwin und John Williams. Die charmanten Moderationen des Dirigenten rundeten den gelungenen Abend ab. Nur die eher an einen Kindergeburtstag als an großes Kino erinnernden Lichteffekte wirkten unfreiwillig komisch und waren überflüssig. Dem Gesamteindruck konnte diese Kleinigkeit aber nichts anhaben. So durchwehte Leipzig wieder einmal ein Hauch von Hollywood…

(Frank Sindermann)

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