MDR Chor und Orchester mit Honegger und Weihnachtsliedern (Steffen Lehmann)

MDR Chor und Orchester mit Honegger und Weihnachtsliedern

MDR Sinfonieorchester, Dirigent: Howard Arman
MDR Rundfunkchor
MDR Kinderchor

Stephan Rehm, Sprecher (Erzähler)
Ingrid Lang, Sprecherin (Hexe)
Patricia Rozario, Sopran

Arthur Honegger ?Le Roi David?
Weihnachten in der Welt ? Internationale Weihnachtslieder


Crashkurs in Bibelkunde

Zu den Eigentümlichkeiten der Weihnachtszeit gehört sicherlich, dass die Säkularisierung unserer Gesellschaft durch dicht an dicht sitzenden Kirchenbesucher und Weihnachtsoratorien an allen Orten in Vergessenheit gerät. Eine unfreiwillige ?Erinnerungsstütze? ist dabei jedoch immer wieder der unaufhaltsame Verlust jeglicher Bibelfestigkeit.

Doch bei der Weihnachtsgeschichte ist das ganz anders. Joachim Kaiser sagte einmal in der Süddeutschen Zeitung: ?Man behält nur, was man wirklich will. Was man liebt.? Die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium ist für Kaiser ein Beispiel, bei dem ?keinerlei Überdruss, Abnützungseffekt beim lebenslangen Wiederlesen? eintritt.

Es war aber nicht die Weihnachtsgeschichte, sondern Honeggers Oratorium ?Le Roi David?, mit dem im diesjährigen Weihnachtskonzert von Chor und Orchester des MDR ein Crashkurs in Bibelkunde geboten wurde. In knapp sechzig Minuten wurde die Geschichte König Davids und seines Aufstiegs vom einfachen Hirten zum König und Propheten ? oder, um ein profaneres Bild zu verwenden, vom Tellerwäscher zum Millionär ? erzählt.

Dieses Oratorium ist unter der verhältnismäßig kleinen Zahl von Werken dieser Art im 20. Jahrhundert eines der meist aufgeführten. Dabei hatte Honegger ursprünglich, als er den Auftrag zu dieser Komposition erhielt, einige Schwierigkeiten mit der kleinen Orchesterformation und dem großen Chor. Als er sich hilfesuchend an Igor Strawinsky wandte, fand der eine wahrhaft salomonische Lösung: ?Das ist sehr einfach. Machen Sie es so, als wenn Sie die Zusammensetzung gewollt hätten, und komponieren Sie für hundert Sänger und 17
Musiker.?

Die Damen des MDR-Chors waren an diesem Abend wieder mit blauen Bändern geschmückt, die geheimnisvoll über ihren Schultern bommelten und einmal mehr Anlass zu Spekulationen gaben. Sind sie Zeichen eines geheimen Bundes oder einfach nur der Versuch, amerikanische Gospelchöre zu imitieren? Bevor jedoch an diesem Abend der Frage erschöpfend nachgegangen werden konnte, begann schon der Parforceritt durch die biblische Geschichte. Kraftvoll kündeten die Posaunen vom Sieg über die Philister ? Davids Steinschleuder sei Dank. Der Chor schlug sich euphorisch auf die Seite des Außenseiters und erst durch Patricia Rozarios Sopran wurde die Szenerie wieder etwas beruhigt.

Als nächstes erhob sich die ?Hexe von Endor?. Was für ein Name! Tatsächlich fehlt er noch in den Geschichten von ?Harry Potter? oder ?Herr der Ringe?. Da sage noch einer, die Bibel sei nicht aktuell. Der Hexe langgezogenes ?Oohm? ließ zuerst mehr an Zen-Buddhismus denken, denn an dunkle Mächte. Mit der Stille war es aber schon kurz darauf vorbei: abgehackte Worte, hervorgestoßene Verwünschungen erfüllten den Raum. Danach hatte sie genügend Zeit, ihre Blicke und Aufmerksamkeit dem Erzähler zu widmen, der sich aber ganz routiniert gab.

In der ?Klage von Gilboa? ? nach dem Tode Sauls ? wetteiferten Sopran und Alt darum, wer wohl am längsten den Ton halten könne. Als es schon fast nach einem leistungsgerechten Unentschieden aussah, unterstützte plötzlich der Chor die Solistin aus seinen Reihen und verhalf ihr zu einem knappen Punkt-Sieg.
Kein Weihnachtskonzert ohne Weihnachtslieder. Howard Arman hatte schon zu Beginn des Konzertes das Publikum von seinem Plan unterrichtet, gemeinsam einige Lieder zu singen und die Erwartungen dementsprechend geschürt – ?Ich erwarte Großes von Ihnen.? Es durfte in der Tat mit allem gerechnet werden. Zunächst gab es jedoch ein kurzweiliges Potpourri internationaler Weihnachtslieder, die durchaus zu gefallen wussten. Besonders Percy Aldridge Grainger verdient hier eine Erwähnung. Nicht nur, dass sein Werk ?Sheperds hey? rasant daher kam, auch Graingers Einstellung zur Aufführung seiner Werke ist beachtenswert. Bei einer Probe soll er gesagt haben ?Diese Töne oder andere, wie Sie wollen!?

Das war dann auch das Motto des gemeinsamen Singens von ?O du fröhliche? und ?Stille Nacht?, mit dem der Abend beschlossen wurde. Eine Kakophonie erfüllte den Großen Saal, dass es dem Rezensenten wie eine Strafe des Herrn für so manche seiner publizistischen Missetaten erschien.

(Steffen Lehmann)

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