MDR Chor und Orchester mit Schostakowitsch und Beethoven (Frank Sindermann)

MDR Chor und Orchester mit Schostakowitsch und Beethoven

Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93
Dmitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 13 c-Moll op. 113 ?Babi Jar?

MDR Chor und Orchester mit Schostakowitsch und Beethoven
MDR Sinfonieorchester, MDR Chor

Sergej Aleksashkin, Bass
Dirigent: Marek Janowski


Musik und Politik

Das vierte aus der Reihe der ?Rundfunkkonzerte? in dieser Saison vereinte in seinem Programm zwei Werke, wie sie gegensätzlicher kaum vorstellbar scheinen. Da ist zum einen Beethovens Achte, ein äußerst populäres Werk, das eine (scheinbar) intakte Welt vorstellt; da ist zum anderen Schostakowitschs 13. Sinfonie, eine Komposition, die Schrecken und Ohnmacht angesichts unvorstellbarer Gräueltaten und eines Lebens in ständiger Angst in mahnend-anklagendem Ton hörbar werden lässt. Aber ist der Optimismus bei Beethoven tatsächlich so ungetrübt? Nun, die Achte enthält durchaus eigenwillige Effekte und Experimente, hat tatsächlich ihre Ecken und Kanten, was sie ja auch manchem von Beethovens Zeitgenossen so suspekt und bizarr erscheinen ließ. Trotzdem tut sich zwischen ihr und dem musikalischen Mahnmal ?Babi Jar? eine unüberbrückbare Kluft auf. Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass Marek Janowski die Beethovensche Sinfonie so uninspiriert anging, als ob es ihm peinlich wäre, sie dem eigentlichen Programm voran zu stellen. So gab es nichts Überraschendes, wenig Neues und viel Gewohntes zu hören, zwar auch kaum etwas zu bemängeln, allerdings auch nichts besonders Erwähnenswertes. Es handelte sich um eine Aufführung, die insgesamt farblos blieb und einen etwas faden Nachgeschmack hinterließ.

Schostakowitschs 13. Sinfonie ist ein äußerst düsteres Werk. Der titelgebende erste Satz, ?Babi Jar?, handelt von einem Massaker, das deutsche Besatzer 1941 an mehr als 30.000 Menschen jüdischer Herkunft in der Schlucht Babi Jar bei Kiew verübten. In absichtsvoller Einförmigkeit trägt die solistische Bassstimme eine gewaltige Anklage vor, unterstützt vom Chor, der hier vor allem kommentierend eingesetzt wird. Glücklicherweise gelang es sowohl dem Solisten Sergej Aleksashkin, als auch den Herren des MDR Chores in beeindruckender Weise, Entsetzen und Verzweiflung Gestalt zu verleihen, und betroffen möchte man in den Text einstimmen: ?Was hier geschah: ich kann es nicht vergessen!?

Der zweite Satz behandelt ein völlig anderes Thema. Hier geht es um den unbezwingbaren Humor, dem Unterdrückung und Zwang nichts anhaben können, also um eine Variante des Themas Gedankenfreiheit. Schostakowitsch gestaltet diesen Satz mit den für ihn so typischen Mitteln musikalischer Satire, wie z. B. häufigen Taktwechseln, skurrilen Melodien oder einer besonderen Instrumentation (Verwendung der Trommel etc.).

Nach diesem zweiten Satz, passenderweise einem Scherzo, folgt wieder ein stark kontrastierender Satz, dessen Grundstimmung nach Anklage und Satire nun die des tief empfundenen Mitleids ist. Beklemmend gestaltete Aleksashkin das erdrückende Leben der russischen Frauen. Wie schon im ersten Satz ist komponierte Monotonie hier ein wesentliches Stilmittel. Nach einer großen Steigerung, die in schmerzvoller Anklage mündet, beeindruckend vorgetragen von Solist und Chor, beruhigt sich das Geschehen wieder, und der vierte Satz schließt sich unmittelbar an. Der Inhalt des hier vertonten Gedichts war zu Schostakowitschs Zeit politisch durchaus brisant, geht es doch um die ständige Angst vor Bespitzelung. Diese wird zwar als vergangen bezeichnet; dennoch war der aktuelle Zeitbezug im Jahr 1962 sicherlich für alle Beteiligten offenkundig. Dieser Umstand ist wohl mit dafür verantwortlich, dass die Sinfonie nach den ersten Aufführungen lange Zeit von den Spielplänen verschwand. Auch der letzte Satz, in dem es um Karrierestreben und verkaufte Ideale geht, dürfte mit dazu beigetragen haben, zumal Schostakowitsch hier wieder mit beißendem Spott zu Werke geht. Das Werk endet ruhig und verklingt ins Unhörbare.

Die künstlerische Gestaltung der äußerst anspruchsvollen Sinfonie durch alle Mitwirkenden muss als mustergültig bezeichnet werden. Dieses gilt für das an allen Pulten hervorragend musizierende Orchester ebenso wie für die Herren des MDR Chores, die ihre Vielseitigkeit wieder einmal unter Beweis stellten. Die Homogenität der Stimmen litt nur in besonders komplizierten Passagen hin und wieder einmal. Auch Janowski leitete das Geschehen nun sehr engagiert und mit deutlich mehr Sensibilität als bei Beethoven. Den Hauptverdienst am Gelingen der Aufführung hatte aber sicherlich der russische Bass Sergej Aleksashkin, dessen stimmliches Vermögen es ihm problemlos ermöglichte, den so verschiedenen Anforderungen der einzelnen Sätze vollauf gerecht zu werden. Aleksashkin gestaltete eindringlich und intensiv, ohne je aufdringlich zu wirken. Neben den bloß stimmlichen Qualitäten war Glaubwürdigkeit vielleicht die wichtigste des Künstlers: Man nahm Aleksashkin ab, was er sang. Die ernste und würdevolle Haltung des Solisten übertrug sich auch auf das Auditorium. Nach dem Verklingen des Schlussakkords herrschte andächtige Stille, und zwar lang genug, um zu zeigen, dass die Botschaft hinter der Musik zum Publikum durchgedrungen war.

(Frank Sindermann)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.