MDR Chor und Orchester mit Edward Elgar: The Kingdom op. 51, Oratorium in fünf Teilen (Frank Sindermann)

(Aufführung in englischer Sprache)

MDR Sinfonieorchester
MDR Rundfunkchor

Solisten:
Alwyn Mellor, Sopran
Annely Peebo, Alt
William Kendall, Tenor
David Wilson-Johnson, Bass

Dirigent: Howard Arman

Ein Reich nicht von dieser Welt

Hierzulande ist der britische Komponist Edward Elgar vor allem durch seine Instrumentalmusik bekannt. So hört man sein Violin- und Violoncellokonzert, die Enigma-Variationen oder die äußerst populären Pomp-and-Circumstance-Märsche recht häufig im Konzertsaal. In seiner Heimat wurde Elgar aber besonders für seine chorsinfonischen Werke geschätzt, für die es in England eine einzigartige Tradition gibt (man denke nur an Händels Oratorien). So unbekannt diese Werke bei uns sind, kann man es nur begrüßen, wenn ein Dirigent wie Howard Arman sich ihrer annimmt. Da ihm zu diesem Zweck der bekanntlich hervorragende MDR Chor zur Verfügung steht und dazu im heutigen Konzert noch ein hochkarätiges Solistenensemble, verspricht die Aufführung ein besonderes Erlebnis zu werden. Dass es tatsächlich so kommt, ist in erster Linie dem erwartungsgemäß gut aufgelegten Chor und dem beeindruckend musizierenden MDR-Sinfonieorchester zu verdanken. Bei den Solisten gibt es Unterschiede: Während die beiden Damen durchweg überzeugen können, erbringen die Herren eher enttäuschende Leistungen. Vor allem der Tenor William Kendall bleibt deutlich hinter den anderen zurück.

Nach einer vom Chor (mit traumwandlerischer Intonationssicherheit) a capella vorgetragenen Antiphon beginnt das Oratorium mit einer energisch vorantreibenden Einleitung des Orchesters. Der erste Teil beschreibt eine Zusammenkunft innerhalb der kleinen frühchristlichen Gemeinde um die Apostel Jesu, seine Mutter und Maria Magdalena. Petrus erinnert an den besonderen Charakter ihrer Versammlung, indem er Jesu Worte zitiert: ?Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen? (Mt 18,20). Im Anschluss behandelt der Text die Nachwahl des Jüngers Matthias (Apg 1,15-26). Den beeindruckenden Abschluss dieses Teils bildet der Chor ?O ye priests?, der in eindringlicher Weise an den Auftrag erinnert, den die Priester von Gott erhalten haben, nämlich diesem als Boten zu dienen. Der Vortrag des MDR-Rundfunkchores gerät hier nahezu makellos. Einziger Wermutstropfen ist (wie auch im Folgenden) die nicht immer perfekte Aussprache des englischen Textes.

Der relativ kurze zweite Teil wird allein von Sopran und Alt gestaltet. Die beiden Solistinnen Alwyn Mellor und Annely Peebo stellen einfühlsam und stimmlich über jeden Zweifel erhaben ein Erlebnis der Mutter Jesu und der Maria Magdalena am Pfingstmorgen dar. Diese sehen auf dem Weg zum Tempel einen Gelähmten, was sie an die Wundertaten Jesu erinnert: ?The blind and the lame came to Jesus in the temple, and He healed them.?

Der dritte Teil, das Zentrum des Oratoriums, behandelt das eigentliche Pfingstgeschehen, wenn nämlich der Heilige Geist über die Apostel kommt. Nach einer Phase des Wartens erhebt sich ein Brausen, und der Geist fährt hinab. Das ist die Stunde Annely Peebos: Mitreißend lässt sie die dramatischen Ereignisse Gestalt annehmen, zieht die Zuhörer in deren Bann. In einem zweiten Abschnitt verspricht Petrus den Juden, die ja Jesus getötet haben, Vergebung durch die Taufe: ?Repent, and be baptized every one of you…? Die Gestaltung dieser Passage durch David Wilson-Johnson enttäuscht etwas. Dieser singt zwar durchaus mit Ausdruck, aber leider etwas zu schwach, so dass seine stimmlichen Äußerungen kaum über die ersten Sitzreihen hinwegdringen. Gegen Ende der Szene beruhigt sich die Musik, um dann, von den Ausführenden wunderbar zurückgenommen, leise zu verklingen.

Teil vier nimmt inhaltlich Bezug auf den zweiten, indem hier die Heilung eines Lahmen durch Petrus beschrieben wird. Als Petrus und Johannes dem Volk die Auferstehung der Toten verkünden, werden sie über Nacht verhaftet. Am Ende der Szene befindet sich eine Meditation der Maria über die Nacht und Gottes Reich (?Kingdom?), die wohl zu den wunderbarsten Momenten des Oratoriums zählt. Hier hat Alwyn Mellor ihren großen Auftritt. Den enormen, an manche Wagnerpartie erinnernden stimmlichen Anforderungen wird sie spielend gerecht. Gleichzeitig erreicht sie im Ausdruck ein Höchstmaß an Intimität und nächtlicher Verklärung. Doch auch Annely Peebo liefert ein weiteres schönes Solo, begleitet von der hervorragenden Konzertmeisterin Waltraut Wächter.

Nach ihrer Freilassung berichten Petrus und Johannes von dem Verhör vor den Schriftgelehrten. Sie und die anderen Anwesenden preisen Gott und danken ihm für Brot und Wein. Am Ende steht das Vaterunser. ?Thou, O Lord, art our Father, our Redeemer, and we are Thine?: Mit diesen Worten endet der fünfte Teil und damit das gesamte Oratorium. Der abschließende Applaus im anständig besuchten Großen Saal des Gewandhauses zeigt, dass sich diese Leipziger (und deutsche?)  Erstaufführung für die Besucher allemal gelohnt hat.

(Frank Sindermann)

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