Pressekonferenz zur Eröffnung der Tanzplattform Deutschland 2002 vom 6. bis 10. Februar in Leipzig
Bewegungs- und Begegnungsort Leipzig
Was ist die Tanzplattform Deutschland, die da fast eine Woche lang Leipzig zur Tanzhauptstadt des ganzen Landes erkoren hat – eine Stadt fast ohne Tanzvergangenheit und ohne absehbare Tanzzukunft? Wer oder was verschaffte uns diese Ehre, nachdem mit Berlin (1994), Frankfurt (1996), München (1998) und Hamburg (2000) vergleichsweise schwergewichtige Vertreter der deutschen Tanzlandschaft Austragungsort dieses Festivals waren? Antworten auf diese Fragen gaben Ann-Elisabeth Wolf (Festivaldirektorin) und Michael Freundt (künstlerische Leitung) zu Beginn des Veranstaltungsmarathons in einer Pressekonferenz.
Natürlich war es an der Zeit, in den neuen Bundesländern nach Tanzentwicklungen zu forschen, gilt der Osten in diesem Fach doch bisher eher als nationales Entwicklungsgebiet. Sicher besteht auch die Hoffnung, dass ein Ereignis dieser Tragweite Spuren hinterlässt und unter Umständen der hiesigen Tanzszene neue oder erneuernde Impulse vermittelt.
Betrachtet man das Programm, fällt auf, dass nur zwei Arbeiten aus den neuen Länder stammen. Neben Bremen, Hannover und Bonn ist Berlin das scheinbare Epizentrum des deutschen Tanzes oder zumindest ein Ort, an dem noch (!) solche Bedingungen vorzufinden sind, unter denen festivalwürdige Choreographien produziert werden können.
Die in Leipzig gezeigten 42 Arbeiten wurden in den vergangenen zwei Jahren von einem Gremium aus 75 begutachteten Choreographien ausgewählt. Außerdem bewarben sich weitere 65 Künstler bei einer öffentlichen Ausschreibung für die Teilnahme am diesjährigen Festival. Das Resultat sollte eine Art ?best of? des innovativen deutschen Tanzes zeigen (wobei Ballett oder modernes Ballett generell außerhalb des Tanzbegriffes der Plattform stehen). Die Suche nach einer erkennbaren neuen Sprache des zeitgenössischen Tanzes, nah seiner genreübergreifenden Interaktion mit Bildender Kunst, Theater und neuen Medien, nach lustvollen, sinnlichen und kraftvollen Äußerungen war das Hauptkriterium bei der Auswahl durch das vielköpfige Gremium.
Da aus Leipzig kein eigener Beitrag im Hauptprogramm der Tanzplattform vertreten war, organisierten die Veranstalter innerhalb des Rahmenprogramms drei Matineen unter Mitwirkung Leipziger Künstler: Die ?Hommage ? Palucca?, ein Programm, das zu Ehren ihres 100. Geburtstages sowohl Originalchoreographien von Gret Palucca als auch Werke ihrer Schüler präsentierte. Ferner eine Vorstellung mit Choreographien von Cordula Ege, Montserrat Le?n, Mirko Mahr und Michael Veit (Tänzer und Tänzerinnen der Oper Leipzig) in Zusammenarbeit mit der Ballettschule der Oper Leipzig und schließlich ?Gelb?, eine Choreographie der Finnin Jonna Huttunen (2001), mit der sich das Leipziger Tanztheater präsentierte.
Eine weitere Besonderheit außerhalb des Hauptprogramms war die Integration des bisher in der ?euro-scene? beheimateten Wettbewerbes ?Das beste Tanzsolo? in die Tanzplattform. Dieser für jeden offene Wettbewerb hat zum vierten Mal in Leipzig stattgefunden. Seinen Besuchern bieten diese drei Tage im Jahr immer wieder außergewöhnliche und bewegende Ereignisse. Es war eine gute Idee, den Wettbewerb an das Ende der Tanzplattform zu setzen, um die Atmosphäre (die manchmal eher an eine Tanzmesse erinnerte, als an ein Happening oder Festival) aufzulockern und wenigstens hier noch den Nichttänzern und Nichtfachleuten Plätze und Mitsprache einzuräumen.
Und doch gab es auch eine Leipziger Inszenierung, eine Art mehrtägige Präsentation: Die hiesigen Festivalmacher haben ihre Stadt ernst genommen und mit ihr die verschiedensten Aufführungsorte. Die über 300 internationalen Gäste kamen nicht umhin, zwischen den einzelnen Vorstellungen Leipzig als Stadt zu berühren, auf dem Weg zwischen Schauspielhaus und Werk II, Lofft und Bagage Theaterzelt oder Peterskirche und Kellertheater. Eine schöne Art, die geschlossene Tanzgemeinde in Bewegung und vielleicht auch ?in Begegnung? zu halten.
(Bea Wolf)
Kommentar hinterlassen