CD, Sergej Rachmaninow, Vesper op. 37 (Beate Hennenberg)

CD-EmpfehlungSergej Rachmaninow, Vesper op. 37

Rachmaninows Vokalschaffen besteht überwiegend aus Romanzen für Singstimme und Klavier. Gleichwohl hat der Komponist, eine der vielseitigsten Erscheinungen der russischen Musikgeschichte, gewichtige chorische Stücke geschrieben. Dass diese Romanzen wie auch die prächtigen Chöre außerhalb Russlands kaum bekannt sind, liegt sicherlich auch an der sprachlichen Barriere.

Als bedeutendste Werke der russischen Kirchenmusik und als erste echte Kunstwerke in dieser Gattung überhaupt sind neben Rachmaninows Liturgie op. 31 seine hier zu hörende Ganznächtliche Virgil op. 37 bezeichnet worden. Aufgrund des Verbotes von Instrumenten im orthodoxen Ritus handelt es sich um a-cappella-Gesänge, die im Gottesdienst wie im Konzertsaal aufgeführt werden können – auch die kleineren liturgischen Abschnitte sind für den gesungenen Vortrag vorgesehen.

Wie im Falle der oben erwähnten Liturgie konnte Rachmaninow auch bei der zu Beginn des Jahres 1915 entstandenen Virgil auf ein entsprechendes Vorgängerwerk von Tschaikowsky (op. 52) zurückblicken. Der Text, altkirchenslawische Offiziums-Texte, umfasst die Abend- und Morgengesänge vor Sonn- und Feiertagen. Anders als in seiner Liturgie machte Rachmaninow hier Gebrauch von den alten einstimmigen Gesangsweisen (raspew) der orthodoxen Kirche, die er in seine impressionistischen Klangvorstellungen einbettet.

In der Ganznächtlichen Virgil, auch Das große Abend- und Morgenlob genannt, ist die Behandlung der Chorstimmen von einzigartigem Reichtum, da der Komponist hier seine ausgeprägt sinnlichen Klangvorstellungen gänzlich ohne Instrumente realisieren musste. Besonders hervorzuheben ist die oft abgründige Tiefe der Bässe (nicht selten bis zum Kontra-B), die in gewisser Weise als russische Spezialität gelten darf und dem Werk einen unverwechselbaren Charakter gibt.

Der MDR Rundfunkchor Leipzig mit Howard Aman, seinem Leiter, verleiht den in den liturgischen Texten geäußerten religiösen Gedanken und Empfindungen einen entfesselten, fast ungebändigten, dabei subjektiv-persönlichen Ausdruck. Klaudia Zeiner, Alt, und Mikhail Agafonov, Tenor, bestärken diese mitreißende Wirkung. Zu den beeindruckendsten Momenten der Virgil zählen die prachtvolle Imitation vollen jubilierenden Glockengeläuts in Nr. 7 und das allmähliche Versinken der Bässe im dreifachen Pianissimo am Ende von Nr. 5.

Die Produktion wurde im Mai 2000 in der Leipziger Paul Gerhard Kirche aufgenommen und erschien 2002 bei Berlin CLASSICS, die unter dem Dach der edel Classics GmbH Hamburg firmiert.

(Beate Hennenberg)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.