CD, John Cage, Sämtliche Klavierwerke Vol. 7 (Marcus Erb-Szymanski)

CD, John Cage – Sämtliche Klavierwerke Vol. 7
MDG 613 0793-2
Steffen Schleiermacher, Piano
Der fixierte Zufall

Ob er sein Lieblingskomponist ist, wird uns Steffen Schleiermacher nur selbst verraten können, aber so etwas wie der Gute Geist seiner vielfältigen Aktivitäten ist John Cage bestimmt. In den vielen Festivals und Konzertreihen, die der Protagonist der Neuen Musik in Leipzig mit schöner Regelmäßigkeit organisiert, taucht der Name des amerikanischen Komponisten immer wieder auf. Seit einiger Zeit spielt Schleiermacher zudem das Gesamtwerk für Klavier beim oben genannten Label ein.

Und interessanterweise klingt Cages Musik, deren avantgardistischer Happening-Charakter inzwischen fast schon wieder klassisch zu nennen ist, auf Konserve fast interessanter als im Konzertsaal. Woran mag das liegen? Zwei Gründe könnten dafür ausschlaggebend sein. Der erste wären die Nebengeräusche, die Unberechenbarkeit des Halls und die oft fehlende Intimität eines größeren Saales, was beim Liveerlebnis die Konzentration auf die Intensität des Klanges und vor allem (bei Stücken für Ensembles) des Zusammenspiels beeinträchtigt. Und dies, obwohl ja eigentlich die Nebengeräusche für Cage stets ein willkommener Gast in seinen Kompositionen waren. Der zweite Grund ist die Ungestörtheit, mit der Schleiermacher bei einer Aufnahme seine Interpretationen verwirklichen kann. Feinsinnig gestaltet er jedes Detail aus, schafft trotz des sehr unterschiedlichen Charakters der verschiedenen Stücke so etwas wie eine meditative Grundstimmung, die an keiner Stelle verlorengeht. Und der Hörer kann sich auf die ungetrübte Klarheit des Klanges verlassen, in interpretatorischer wie auch in CD-technischer Hinsicht.

Für einen Komponisten, bei dessen Werken der Zufall eine konstitutive Funktion erfüllt, ist der Befund eines Rezipienten vielleicht bedenklich, dass die Musik im Konzertsaal für die Ausführenden mehr Befriedigung bringt als für die Zuhörenden. Dem könnte man nun wieder entgegenhalten, dass es sich im vorliegenden Fall um Werke aus den frühen Jahren handelt, die sich für Cages Verhältnisse noch in recht ?ordentlichen? Bahnen bewegen. Doch das Entscheidende bei Cage ist nicht der Zufall, nicht die Spontanität, sondern der Reichtum im Detail. Und der kommt in seiner artifiziellen Ausgestaltung eben erst in konservierter Form so richtig zur Geltung.

Ob so oder so, in jedem Fall ist die vorliegende CD eine Fundgrube. Nicht nur für Fans. Denn gerade bei den frühen Opera für Klavier ist neben der kompositionstechnischen Vielfalt auch die der noch relativ traditionellen Formen verblüffend. Programmatische Titel mit biographischem Hintergrund wie „Crete & Dad“ (1945), ein Stück über Cages Eltern und den Satz seines Vaters „Deine Mutter hat immer Recht, auch wenn sie Unrecht hat“, sind ebenso zu finden wie die Tanzmusiken „Ophelia“ (1946) und „The Seasons“ (1947), mit denen sich Cage stilistisch dem Modern Dance und persönlich dem avantgardistischen Tänzer und Choreographen Merce Cunningham näherte. Und auch hinter den vielen anderen Titeln versteckt sich mehr, als so schlichte Bezeichnungen wie „Two Pieces for Piano“ (1935 und 1946) verraten.(Marcus Erb-Szymanski)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.