Nina Cortis Flamenco-Gastspiel (Frank Sindermann)

24. März 2002, Gewandhaus, Großer Saal

Gewandhausorchester
Dirigent: Mario Venzago

Nina Corti, Flamenco
Mirijam Contzen, Violine


Gioacchino Rossigni (1792-1868):
Ouvertüre „Il Viaggio a Reims“

Rodion Schtschedrin (* 1932):
Musik aus der Carmen-Suite

Georges Bizet (1838-1875):
Danse Boh?me

Manuel de Falla (1876-1946):
Musik aus „El sombrero de tres picos“ („Der Dreispitz“)

Maurice Ravel (1875-1937):
Tzigane
Boléro

Wiedersehen macht Freude

Das freut den Sponsor: Nina Cortis zweites Flamenco-Gastspiel in Leipzig brachte dem Gewandhaus wieder einmal ausverkaufte Sitzreihen. Das freut den Besucher: Geboten wurde ein kurzweiliger Abend mit sichtlich engagierten Musikern und zwei hervorragenden Solistinnen. Da war zum einen Nina Corti, zum anderen die junge Geigerin Mirijam Contzen, die sich mit Ravels aberwitzigem Bravourstück „Tzigane“ präsentierte. Geleitet wurde das Konzert von dem charmanten Mario Venzago, der den Klang des Gewandhausorchesters wunderbar auf Hochglanz polierte. Die dargebrachten Werke boten sowieso gute Chancen für einen zündenden und publikumswirksamen Abend.

Eröffnet wurde der im besten Sinn „bunte Abend“ mit einem Effektstück par excellence, nämlich mit Rossinis Opernouvertüre zu „Il Viaggio a Reims“. Schon hier zeigte sich die Spielfreude des Orchesters wie die des Dirigenten, schon hier stimmte die Chemie bestens. Nach dieser musikalischen Zuckerstange ging es nach Spanien. Venzago hatte Nummern der äußerst effektvollen „Carmen“-Bearbeitung von Rodion Schtschedrin neu kombiniert (das ging so weit, dass er mit dem Finale begann), wobei sicherlich das Einbauen der Flamenco-Einlagen die Anordnung bestimmte. Nach einigen vom Orchester allein vorgetragenen Nummern (Kompliment an die Schlagzeuger!) betrat Nina Corti die Bühne, im typischen Carmen-Outfit, der ersten von vielen Garderoben des Abends. Man wusste kaum, auf wen man seine Aufmerksamkeit lenken sollte: auf die wunderbar sinnlich tanzende Corti oder auf die in Höchstform aufspielenden Musiker. Auch die Szenen aus Manuel de Fallas „Dreispitz“ boten beste Unterhaltung. Ein besonderer Gag war hier Cortis Auftritt als Müller, in dem sie, doch eher Flamenco-untypisch, in Jeans und Bluse tanzte. Hier bereicherte Corti ihr Repertoire auch erstmals an diesem Abend um die faszinierende Wirkung der Kastagnetten.

Bei aller Begeisterung: Es erwies sich als klug, Nina Corti nicht permanent auftreten zu lassen. Denn so faszinierend ihr Flamenco-Tanz auch ist, teilweise bleibt der Abwechslungsreichtum etwas auf der Strecke. Daran können auch Kastagnetten und wechselnde Kleider nicht viel ändern. Wohldosiert, wie in diesem Konzert, war das aber zum Glück überhaupt kein Problem. Ein weiterer guter Einfall war der Auftritt von Mirijam Contzen, brachte er doch im zweiten Teil des Konzerts noch einmal etwas völlig Neues. Dass die Solistin ausgerechnet Ravels technisch enorm anspruchsvolles, beinahe absurd virtuoses Stück „Tzigane“ spielte, zeugt von einigem Mut. Die lang gestreckten Solopassagen verblüfften und bannten das Publikum so sehr, dass es sogar eine Zeitlang seine übliche Geräuschproduktion vergaß.

Zum Abschluss des Abends gab es, wie sollte es auch anders sein, „den“ Boléro – für manche der Inbegriff des Abgenutzten und Totgespielten, für andere immer wieder ein Highlight. Von den anderen unzähligen Aufführungen unterschied sich dieser Boléro aber allein schon dadurch, dass er, wie von Ravel beabsichtigt, vertanzt wurde. Für eine Tänzerin hatte Ravel sein berühmtestes und zugleich monotonstes Opus schließlich geschrieben. Während das rhythmische Aufstampfen Cortis zu Beginn eher störte, trug ihr zusammen mit der Musik zur Ekstase treibender Tanz später stark zur suggestiven Wirkung bei. Dass das Publikum am Ende in Jubel ausbrach, versteht sich fast von selbst.

(Frank Sindermann)

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