Johann Sebastian Bach „Matthäus-Passion” (Beate Hennenberg)

28. März 2002 Thomaskirche

Gewandhausorchester, Thomanerchor
Thomaskantor Georg Christoph Biller

Johann Sebastian Bach „Matthäus-Passion?


Strahlendes Ostern

Anders als bei der Bachschen Markus-Passion, die jüngst in einer der Vor-Oster-Motetten in der Thomaskirche erklang, hielt es das Publikum am Ende der kontemplativeren, suggestiven, wuchtigen Matthäus-Passion tatsächlich aus, ohne befreiende Beifallsbekundungen das Wunderwerk auf sich wirken zu lassen.

Thomaskantor Georg Christoph Biller hatte sich heuer für die Frühfassung (1729) der bekannten Version entschieden. Das bedeutete einige veränderte Texte auf die bekannten Choräle, ein anderer, den ersten Teil beschließender Choral, eine neue Eingangsarie beim zweiten Teil. Der Cantus firmus im Eingangschor wurde gesungen von der Vorbereitungsklasse der Thomaner – früher half da der Gewandhauskinderchor -, die kleinen Solo-Partien hatten einzelne Thomaner erfolgreich übernommen.

Die historisierende Farbigkeit des Gewandhausorchesters wurde nicht nur auf eine Laute, ein Cembalo und eine zart tönende Orgel reduziert. In den Formationen des zweigeteilten Ensembles herrschte fast ein philharmonischer Klangluxus mit voll souveräner, mitunter fast swingend eleganter Delikatesse. Die beiden Soloviolinen mit Sebastian Breuninger und Gunar Kaltofen spielten unübertroffen.

Biller konnte seine mit sensibel differenzierender Tempowahl (ziemlich rasch Ich will dir mein Herze schenken) und maßvoller Dynamik eher auf Schlichtheit abzielenden Intentionen (die Vorhalte und Appoggiaturen wurden – es ist Karwoche – allesamt abgeschafft) in der Hauptsache in den Chorpassagen verwirklichen, wobei die Thomaner im letzten halben Jahr an Exaktheit und Glanz gewonnen haben. Nicht nur die packenden Turbae-Chöre kamen exakt auf den Punkt, sauber, mit Emphase.

Innerhalb der Solistenbesatzung gab es Unterschiede: Die Sopranistin Ute Selbig zum Beispiel verwandelte die Rezitative und Arien gleich einer Brangäne des Barock mit wachem Instinkt für die Großform in betörende Klangmonumente, hell, klar, rein und strahlend.

Elisabeth von Magnus spürte in den stilistisch nicht minder legitimen Interpretationen ihrer Altsoli den in den einzelnen Noten liegenden Affekten nach. Eine Lesart, der sich auch Klaus Mertens als sicherer Interpret des Bassparts anschloss. Seine Arie Komm, süßes Kreuz, von der Laute (in den anderen Fassungen übernimmt die Gambe den Co-Part) filigran, zart und beseelt begleitet, hat sich in Herzen gespielt.

Martin Petzold übte die zentrale Funktion des Evangelisten gewohnt versiert aus, während Gotthold Schwarz seinen Jesus mit dem schätzenswerten Instrumentarium seiner Liedgestaltung ausgestattet hat.

(Beate Hennenberg)

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