musica nova mit Terry Riley (Gerhard Lock)

3. April 2002, Gewandhaus, Mendelssohn?Saal
5. musica?nova Konzert

Terry Riley (*1935) ?In C? (1964)

Ensemble Avantgarde


Inmitten klingend bewegter Töne

?Minimal music?, dafür stehen Steve Reich, LaMonte Young und Philip Glass. Und eben auch Terry Riley mit seinem zum Klassiker gewordenen ?In C? (1964). Nach einigen einführenden Worten und einem Tonbeispiel aus afrikanischer Trommelmusik (von CD) beginnt das berühmte Stück, das bei seinen europäischen Erstaufführungen Stürme der Entrüstung entfacht hatte. Aber Steffen Schleiermacher (künstlerischer und organisatorischer Leiter der musica?nova Konzerte, wollte solchen Entrüstungsstürmen vorbeugen und warnte mit Augenzwinkern vor möglichen Tobsuchtsausbrüchen unter den Zuhörern.

Vorweggenommen: die Tobsuchtsausbrüche blieben natürlich aus, denn nach einer gewissen Zeit ist der gefährlichste Punkt überwunden. Überwiegen zu Beginn noch die Assoziationen an Dur?, Moll?, Septakkorde oder andere gewohnte Intervallkonstellationen, so wird dies im Verlauf der Musik völlig unwichtig. Vor dem Ohr tut sich eine ungeahnt räumliche Welt auf, deren Plastizität man förmlich spüren kann. Wie durch einen Zoom wird das Ohr im Sog der Klänge auf einzelne hervortretende Instrumentalisten gelenkt. Doch jeder Spieler geht letzten Endes doch wieder ein in den Gesamtklang. Es spielen ja eigentlich alle dieselben Motive, nur spielt jeder sie so lang, wie er selbst möchte und dadurch entstehen wunderbar schillernde Figuren. Figuren, die in ähnlicher Weise im Verlauf der Musik wiederkehren, die sich jedoch nie völlig wiederholen.

Und das Beeindruckendste an Terry Rileys Musik: Die Zeit gerät aus den Fugen. Sie hört auf zu existieren. Es entsteht eine Welt aus Tönen, Klängen und Farben. Die Musik verläuft in Wellen zwischen überbordender Aktivität, schnellen Impulsen und langsam dahin fließender Ruhe. Vergessen sind die einführenden Erklärungen und die eindringliche ?Warnung? Schleiermachers vor dieser ?minimal music?. Von Langeweile kann gar nicht die Rede sein, denn durch das abwechslungsreich besetzte Ensemble aus elf Spielern verschiedenster Instrumente ergeben sich immer wieder neue Klangfarbenwelten.

Wer sich davon gefangen nehmen lässt, dem öffnet es die Sinne für faszinierende Intervallgravitationen und pulsierende, afrikanischer Tommelmusik abgelauschte Rhythmen. Und: Wer nach diesen 70 Minuten aufmerksam dem Beifall des begeisterten Auditoriums gelauscht hat, der konnte entdecken, dass sich im Applaudieren genau die soeben gehörten ?minimal?music??Strukturen spiegelten.
(Gerhard Lock)

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