Zuckersüßer Lifestyle

Katja Kullmann macht den Fehler, ihren eigenen Erinnerungen den Stempel „Generation“ aufzudrücken. Mit Ally McBeal hat das alles nichts zu tun

Generation Ally – ein Buch, das danach lechzte, geschrieben zu werden. Katja Kullmann, die 32-jährige Autorin, hat sich der weiblichen Jahrgänge von 1965 bis 1975 angenommen. Herausgekommen ist ein babyrosa Lifestyle-Band, der im kollektiven „Wir“ gehaltene Lappalien, wie die erste fremde Zunge im eigenen Schlund oder den Beginn der Menstruation, thematisiert. Natürlich fehlt sie nicht, die klassische Karriere-Kind-Frage, deren Beantwortung die im Zeitalter der Emanzipation herangereiften „Allys“ einfach nicht hinkriegen.

Die Fernseh-Anwältin Ally McBeal taucht in Form von psalmenartigen Zitaten auf, die sie in der Serie von sich gab und die Kullmann als Aufhänger für gesellschaftskritische Betrachtungen dienen. Es geht um „unsere“ Kindheit, „unsere“ Sendungen, die Musik, die „wir“ hörten, die Ansichten, die „wir“ hatten. Natürlich ist es treffend formuliert, natürlich wird es für viele Frauen zur Schenkelklopflektüre. Dieses Buch ist eine Reise in die Vergangenheit, die seltsamen achtziger und neunziger Jahre.

Doch ist das wirklich schon so lange her, dass ich diese Erinnerungen in einem Buch nachlesen müsste? Eigentlich ist es eine nette Idee, die eigene Geschichte hervorzukramen und wie in einer alten Kiste darin zu stöbern. Doch was man findet, ist dünn. Da ist von politisch desinteressierten, von Männern ernüchterten und Designerlabeln abhängigen Frauen die Rede, bei deren Betrachtung mir schlecht wird und ich unweigerlich ob etwaiger Ähnlichkeiten mit lebenden Personen nachgrübele. Es macht Angst, zu dieser fiktiven Generation zu gehören, ein kaltschnäuziges, abgeklärtes Wesen zu sein, das eigentlich noch immer seine Identität sucht, weil es vor lauter Lifestyle vergessen hat, über die eigenen Werte Klarheit zu gewinnen.

Dies ist ein provokantes Buch mit trendy Bonbonüberzug, der den Ernst der Lage verschleiert. Die Emanzipation scheint keinen Schritt weiter, die Generation Ally hat die Optionen, zum Silikon-Luder oder Bridget-Jones-Verschnitt zu tendieren. Die Frau im Spiegel der Katja Kullmann ist eine resignierte, galgenhumorige Person, die mit der echten Ally McBeal wenig gemein hat. Denn die passt mit ihrem Tiefgang und der offensichtlich verletzlichen Art so gar nicht in das von der Autorin umrissene Bild der abgehalfterten „Lifestyle-Lusche“.

Katja Kullmann: Generation Ally
Eichborn Verlag Frankfurt am Main 2002
217 Seiten, 14,90 Euro

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