Solotheater von und mit Wolfgang Krause Zwieback (Ian Sober)

Schaubühne Lindenfels, 3.5. 02,
Der Mann ohne Brückenkopf

Solotheater von und mit Wolfgang Krause Zwieback


Ausbildung: Schrauben herstellen, fern der Mutter

Es geht nicht so sehr um die Geschichte selbst, die ist komplett absurd: Ein Mann kehrt von einer obskuren zwölfjährigen Ausbildung zurück in seine Stadt; am Bahnhof Endstation verlaufen die Gleise im Sand. Er scheint eine Art Geheimagent zu sein (dunkle Brille, Hut), kommentiert seine Beobachtungen durch abgehackte Sätze, die immer neu ansetzen, als müßte nach jedem genügend Zeit für die Wirkung bleiben. Seine Beschreibungen leben von Sprachspielen und vom Spiel mit verschobenen Realitäten.

Die Ampeln sind türkis und lila, im Hotel liegen Samtpfotenteppiche, in der Ecke hängt ein schwachgeküßter Jüngling bei Rum. Die Suche nach dem Verbindungsmann, dann nach einem Büro für das Brückenkopfprojekt, das ihn ?um Jahre vorwerfen würde?, führt den Protagonisten zurück zum Bahnhof Endstation Sehnsucht, wo seine Jugendliebe Peggy auftaucht (?zwischen uns stand die Luft?), zum Flughaufen, ?Flieg noch mal das alte Flugzeug, Sam?, dann in einen Ballsaal, wo frisch aufgespült wird. Er steigt hinab in den Gully (Gullivers Reisen), dort Schattenrisse und Rattenschisse, bis er wieder feste Füße unter dem Boden hat… Später überzeugt er in seinem Büro an der Strandpromenade (neben dem jemand einen Handlungsbedarf eröffnet hat) eine Überlebende der Titanic davon, eine Ölplattform im Olivenhain zu bauen.

Die Geschichte ist eher Vorwand für die Bilder, die dabei im Kopf des Zuschauers entstehen. Wolfgang Krause Zwieback gelingt es vor allem durch originelle sprachliche Einfälle und Wortverdreher, den von ihm heraufbeschworenen Absurditäten Farbigkeit und Leben einzuhauchen. Seine schauspielerische Leistung bleibt dahinter zurück. Die beschriebenen Situationen erzeugen lebhaftere Vorstellungen als ihre tatsächliche Darstellung, ähnlich wie das bei Buchillustrationen der Fall sein kann. Das fällt vor allem auf, wenn die Beschreibungen gelungen sind: die Landung des Flugzeugs auf der Kirchturmspitze, der Untergang der Titanic. Mitunter wird der Monolog aufgelockert: durch lyrische Einlagen unterschiedlicher Qualität, durch mehr oder minder absurde Gespräche in typischer Leipziger Umgangssprache (- wenn sie mich fragen ? ich sage immer ?hab ich damals schon gesagt ? ist meine Rede seit achtzehnvierzehn).

Die Bühne, also der halbe Saal zwischen Zuschauern und Leinwand, ist leer, Spotlights und manchmal eine dezente Projektion sind die einzige Unterstützung für die anderthalbstündige Show. Man erkennt Bezüge zur ostdeutschen Gegenwart (jemand Arbeitsloses ist ?fein raus?), aber sie bleiben unaufdringlich. An einer Stelle wird Theater kommentiert: warum die Probleme von der Straße auf die Bühne holen, sie sind ja nicht umsonst auf der Straße. ?Ich stelle kein Problem auf die Bühne, und tue dann so, als wär’s ein Problem.? Im Hotel hängt ein Porträt von Joyce (?nicht meins?) – der hat bekanntlich die Sprachspiele ins Extrem getrieben.

(Ian Sober)

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