Ein Genie bin ich selber – Eine Hanns-Eisler-Collage (Frank Sindermann)

08.05.2002
Schauspiel, Interim am Floßplatz


Ein Genie bin ich selber ? Eine Hanns-Eisler-Collage

Susanne Stein, Rezitation und Gesang
Martin Reik, Rezitation und Gesang

Henning Plankl, Klarinette
Alexander Richter/Dmitry Geller, Trompete
Peer Winkler, Schlagzeug
Jens-Uwe Günther, Klavier und musikalische Leitung

Thorsten Duit, szenische Einrichtung


Eisler verhackstückt

Dem Leipziger Geburtshaus Hanns Eislers droht der Abriss. Höchste Zeit also, sich wieder einmal mit dem Werk dieses politischen Komponisten auseinanderzusetzen, dessen Musik heute eher ein Schattendasein im kulturellen Leben fristet. Diese wichtige erneute Annäherung über eine Mischung aus Liedern, Texten und passenden Bildprojektionen zu versuchen, scheint dafür durchaus ein geeigneter Ansatz zu sein. Dennoch geht das Konzept an diesem Abend nicht auf. Woran liegt das?

Susanne Stein und Martin Reik sind keine Sänger, und das merkt man. So intelligent und einfühlsam sie die Lieder auch gestalten, stimmlich muss man doch einige Schwächen in Kauf nehmen. Was bei Gassenhauern wie dem ?Linken Marsch? weniger ins Gewicht fällt, macht sich bei lyrischen und musikalisch subtileren Liedern schmerzlich bemerkbar. Hier reicht es nicht, zu schreien und zu deklamieren, hier ist Gesang gefragt. Vergleicht man beispielsweise die Interpretation der Zeitungsausschnitte op. 11 durch die Sopranistin Michaela Kaune mit der durch Susanne Stein (?Kinderlied aus dem Wedding?) und Martin Reik (?Frühlingsrede an einen Baum im Hinterhof?), wird klar, wo das Problem liegt: Eisler wird hier als Komponist zu leicht genommen. Und so speist sich die Wirkung der Darbietungen wohl in erster Linie aus den genialen Textvorlagen als aus dem Musikalischen selbst. Verzerrt ist das Eisler-Bild ohnehin, da große Teile des Liedschaffens unberücksichtigt blieben, vor allem die stimmlich anspruchsvolleren.

Doch schon die Grundkonzeption kann nicht überzeugen. Der ständige Wechsel zwischen rezitierten Briefausschnitten und Liedern ermüdet recht schnell, nicht zuletzt deshalb, weil die Zusammenhänge zwischen Text und Lied nicht immer deutlich werden. Das häufige Hin und Her verwirrt auch die Mitwirkenden zunehmend: Was mit fragenden Blicken beginnt, endet schließlich mit offenen Meinungsverschiedenheiten über die Frage, wer denn nun an der Reihe sei. Auch sonst geht alles manchmal ziemlich unprofessionell zu. So legt Susanne Stein schon ihr Mikrofon weg und hastet zum nächsten Programmpunkt, während die Musiker noch mit dem Nachspiel zu ihrem Lied beschäftigt sind. Der Trompeter räuspert sich hingegen laut und deutlich, während sie gerade singt (ich glaube, das nennt man ausgleichende Gerechtigkeit). Irgendwie macht das Ganze den Eindruck eines chaotischen bunten Abends, den die Beteiligten selbst nicht so ganz durchschauen. Die Projektionen wirken mitunter etwas beliebig und austauschbar. Auch wird man der Person Eislers nicht gerecht, wenn man versucht, in nur wenigen Auszügen die verschiedenen Aspekte seiner Persönlichkeit zu porträtieren, also Eisler als Kommunist, Schönbergschüler, Emigrant, Hollywood-Komponist etc., ohne wirklich einmal in die Tiefe zu gehen.

Trotzdem misslingt der Abend nicht ganz. Zum einen sind die Lieder Eislers einfach zu wirkungsvoll, als dass sie durch mangelnde stimmliche Qualitäten zerstört werden könnten, zum anderen verlangen sie letztere auch nicht immer. Außerdem springt immer wieder etwas von der Begeisterung der Musiker auf das Publikum über, was vieles wieder wett macht. Auch dem Eisler-Kenner wird übrigens etwas geboten, nämlich zwei Lieder, die Jens-Uwe Günther, der musikalische Spiritus Rector der Veranstaltung, erst kürzlich rekonstruiert hat. Dieser singt auch selbst einmal (?Wunderland?), doch hat er dieselben Intonationsprobleme wie die beiden Solisten des Abends.

Es ist ein sehr durchwachsener Eindruck, der am Ende bleibt. Einige sehr schöne, witzige Nummern stehen manchen schlichtweg peinlichen gegenüber (leider gehört auch die berühmte ?Resolution der Kommunarden? dazu), interessante Projektionen wechseln mit recht belanglosen, und der ständige Wechsel zwischen Stein und Reik sowie der Begleitung (Klavier, Cembalo, Harmonium, mit oder ohne Band) bringt auch eher Unruhe als Abwechslung in den Ablauf. Weniger wäre hier mehr gewesen. Außerdem vermittelt die ganze Veranstaltung den Eindruck des Chaotischen und Improvisierten, insgesamt Unausgegorenen. In dieser Form ist einiges eigentlich noch nicht vorführreif.

Als ich nach der Vorstellung ins Freie trete, erklingt aus dem Premierenzelt ein Song von Kurt Weill, was zwar überhaupt nicht zu einer Eisler-Collage passt, zum Gesamteindruck dieses Abends aber bestens…

(Frank Sindermann)

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