„Lautrec” als deutschsprachige Erstaufführung am Theater Altenburg (Lutz Hesse)

„Lautrec“ als deutschsprachige Erstaufführung am Theater Altenburg
(Premiere am 14.04.2002)

Henri de Toulouse-Lautrec war der Maler des Montmartre, der Boheme des „Moulin Rouge“, des „Chat Noir“. Er hat die Lebensstimmung einer ganzen Epoche in seinen Lithographien und Zeichnungen eingefangen. So farbenfroh seine Kunst war, so trist war sein Leben. Der Hochadel, aus dem er stammte, war ihm zeitlebens fremd. So flüchtete er zu den Künstlern und Grisetten auf den Montmatre. Kunst als Fluchtpunkt!

Solch Thema und Künstlerbiographie sind in der Kunst zu unterschiedlichen Zeiten und Genres immer Garanten für Publikum. Das dachten sich auch die Theatermacher in Altenburg. Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach der Uraufführung am Londoner Shafesbury Theatre hatte Charles Aznavours Musical „Lautrec“ in Altenburg seine
deutschsprachige Erstaufführung.

Die Liste der Förderer, bei denen sich die Theaterleitung für ihren finanziellen Einsatz bedankt, ist lang. Ein Zeichen für die Verbundenheit der Partner zu ihrem Theater. So lobenswert das Sponsorenengagement ist, so zwiespältig ist das künstlerische Ergebnis. Dabei gab es gute Voraussetzungen für das Gelingen dieser Unternehmung.

Die Titelfigur wurde mit dem aus Leipzig stammenden Schauspieler Andreas Rehschuh besetzt. Jahrelang gehörte er zur ersten Riege des Schauspielhausensembles. Die musikalsiche Leitung hatte der ebenfalls
aus Leipzig stammende Jens-Uwe Günther übernommen. Studenten der Musicalklasse an der Hochschule für Musik und Theater ließen fast den Eindruck entstehen, es handle sich um eine Leipziger Co-Produktion.
Zumindest für die Altenburger Kollegen eine gute Unterstützung für eine Produktion, die größere Beachtung verdient hätte.

Was bereits in der Uraufführung bemängelt wurde, hat leider die Altenburger Inszenierung nicht beheben können: Das Buch von Shaun McKenna (deutsche Übersetzung Linda Winiewicz) kann sich nicht entscheiden zwischen
Sozialdrama oder Familiensaga. Musicals leben nicht nur von der Musik, sondern auch von innovativer Erzählweise. Der erste Teil des Stücks ist ohnehin so textlastig, daß man den Eindruck einer Schauspielinszenierung erhält. Ein Musical jedoch ist in erster Linie Musik und die ist in diesem Fall nicht der große Wurf. Dennoch ist in ihr eine Leichtigkeit, die an das Chanson erinnert. Aznavour hat sie mit Esprit
versehen.

Wenn der Regisseur Frank Lienert-Mondanelli dem musikalischen Leiter der Produktion mehr vertraut hätte, wer weiß, ob der Abend nicht zu retten gewesen wäre. So klebt Lienert-Mondanelli an Tableaus und gibt den Interpreten wenig Raum zum Spielen. Bei so viel kopflastigen Arrangements geht französischer Charme,
die Leichtigkeit, der Spaß verloren.

Gespielt wird in einem weißen Bühnenraum (Ausstattung Toto): zwei ineinander verschränkte Bilderrahmen, ein überdimensionaler Stuhl, überdimensionale weiße Zeichenblätter – die Lebenswelt des kleinwüchsigen Henri Lautrec. All diese Nüchternheit, so konzeptionell richtig sie sein mag, läßt eine Atmosphäre, die an die Pariser
Belle Epoque erinnert, nicht aufkommen.

Einzig die darstellerische Leistung der Titelfigur durch Andreas Rehschuh zeigt wie ernsthaft und sinnlich zugleich diese Inszenierung hätte sein können. Er ist Lautrec äußerlich auch in der Maske nicht ähnlich, aber er schafft dennoch die Not dieses großartigen Künstlers glaubhaft zu machen. Jenny Bertram als Suzanne
Valadon hat es da wesentlich schwerer. Sie spielt von Anfang an die brave heilige Hure, die Malerin werden will. Einzig Karin Kundt-Petters als Madeleine Valadon, Mechthild Scorbanita als La Goulue (Die Gefräßige) und die Studentinnen der Musikhochschule Leipzig zeigen, was die deutschsprachige Erstaufführung hätte werden können: Ein sinnliches und unterhaltendes Musiktheater. So aber sucht man Witz und Charme leider drei
lange Stunden vergeblich.

(Lutz Hesse)

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