Leonard Bernsteins „On the town” am Anhaltischen Theater Dessau (Lutz Hesse)

Bernsteins „On the town“ am Anhaltinischen Theater Dessau (Premiere am 22.03.2002)

Die „West Side Story“ ist Bernsteins bekanntestes, „Candide“ war ihm das liebste und „On the town“ ist sein spritzigstes Musical. Derzeit läuft das in Deutschland selten gespielte Stück am Anhaltischen Theater Dessau, wo es am 22.03.2002 eine umjubelte Premiere feierte.

Eigentlich ist es eine alltägliche Geschichte, die so überall und jederzeit in jeder Großstadt passieren könnte. Sie ist so banal, daß man glaubt, sie wäre nicht erzählenswert, wenn da nicht genau die Mischung zwischen Situationskomik und Ernsthaftigkeit wäre, die ein Werk zum Dauerbrenner macht.

Drei Matrosen auf Landgang und zum ersten Mal in New York. Vierundzwanzig Stunden bleiben ihnen, um die Stadt und die in ihr lebenden Mädchen zu erobern. Gabey, Ozzie und Chip haben da so ihre Vorstellungen. In der U-Bahn entdecken sie ein Plakat der allmonatlich gekürten „Miss Turnstiles“ (Miss Drehkreuz – der schönste weibliche Fahrgast!). Und es kommt wie es kommen muß: Gabey verliebt sich in die unbekannte Schöne und die Suche nach ihr beginnt…

Ein Panoptikum der komischsten Situationen als Spiegel unausgesprochener Sehnsüchte wird vor uns ausgebreitet. Chip, der kühle, etwas unbeholfene Denker, (Luis Lay eine Idealbesetzung) wird von der
mannstollen, gerade gefeuerten Taxifahrerin Hildy Esterhazy (sehr temperamentvoll Iris Schumacher ) nicht nur zu einer sightseeing tour durch New York überrumpelt, der amüsierwillige Ozzie (tapsig sympathisch Anthony Gebler) läßt aus Liebe zur Anthropologiestudentin Claire de Lune (hintersinnig-witzig Kristina Baran-Fricke) gleich ein ganzes Saurierskelett einstürzen, nur der Romantiker Gabey (ein überzeugender Danny Costello ) ist der „tragische Held“, der seine „Miss Turnstiles“ Ivy Smith (wunderbar in den Tanzsequenzen Anja Karmanski) immer nur beinah findet.

Bernstein hat für sein erstes Broadwaymusical eine Musik komponiert, die große Gefühle nicht scheut. Da klingt es symphonisch in den Tanzszenen, da swingt und jazzt es in den Liedern. Für Bernstein gab es nur gute
oder schlechte Musik und wie gut diese Musik fast 60 Jahre nach der Uraufführung immer noch ist; auch das beweist diese Produktion. Von Betty Comden und Adolph Green stammt das Buch und ist bestes Unterhaltungstheater, denn unter der Oberfläche der Geschichte lächelt uns Zuschauer in jeder Bühnenfigur schon Woody Allens Stadtneurotiker entgegen.

In Dessau wird die Balance zwischen Oberfläche und Tiefgang in wunderbarer Weise umgesetzt. Dafür steht ein ganzes Ensemble, allen voran die sechs jungen musicalerfahrenen Darsteller. Selten sieht man so ein homogenes Ensemble, das es dem Rezensenten schwer macht jeden einzelnen Darsteller hervorzuheben.
Anthony Gebler als Regisseur und Melissa King als Choreographin haben genau die Stärken und Schwächen der Truppe so überzeugend in Szene gesetzt, daß eine Produktion entstand, die Dessau als Ort für hervorragendes
Unterhaltungstheater ausweist. Am nachhaltigen Eindruck dieses Abends haben auch die Bühnenbilder und
Kostüme Jens Hübners und die musikalische Umsetzung unter Robert Hanell einen wesentlichen Anteil.

Manchmal wünscht man sich, daß ein Theaterabend nie aufhören sollte. „On the town“ ist so ein Abend !

(Lutz Hesse)

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