Ludwigs Schlummerlieder

Zum Bachfest ein Nachtkonzert mit Hille Perl und Lee Santana

Wenn Ludwig der XIV. nicht schlafen konnte, zitierte er Robert de Visée herbei, Meister der Theorbe und Laute. Wenn dieser nach umfänglichem Präludieren zu seinen Suiten kam, war der gewünschte Erfolg wahrschieinlich schon eingetreten. So jedenfalls berichtete es Lee Santana zu später Stunde im übervollen Festsaal des Alten Rathauses, wo die Gefahr, daß das Publikum die vermeintliche Wirkung der Musik aus der Zeit des Sonnenkönigs bestätigen könnte, noch durch die Wärme nach dem ersten schönen Maitag erhöht worden war. Doch nein, es wird wohl etwas Koketterie im Spiel gewesen sein, wenn auch Hille Perl (Viola da Gamba)
bestätigte, im Hotel besonders gut schlafen zu können, wenn Lee üben würde (oder läge es daran, daß sie dann jedenfalls wüßte, was er gerade anstellt): Den Musikern gelang es mühelos, die Aufmerksamkeit des Publikums aufrechtzuhalten.

Wenn man von der Art der Musik auf ihre Zeitgenossen schließen darf, so müssen die Menschen damals wirklich sehr anders gewesen sein. Ein kurzes Motiv wird ausgeführt, dann ein Triller, die Auflösung. Für das ungeübte Ohr eine Aneinanderreihung dieses Prinzips, ein ewiger Gleichmut ohne dramatische Entwicklung. Oder braucht man erst eine Zeit, um die Strukturen besser zu verstehen? Nach der Pause jedenfalls schien sich etwa die gesangliche Schönheit von „Le Buisson“ von A. Forqueray solchen Simplifizierungen zu verweigern.

Wen die Musikalität der Darbietung nicht zu fesseln vermochte, der konnte allemal zwei ungewohnte Instrumente in Aktion bestaunen. Am ehesten an ein Cello erinnert die siebensaitige, in Quarten gestimmte Viola da gamba mit ihrem leicht näselndem, auf den höheren Saiten fast etwas durchdringendem Klang. Je mehr
Saiten, mit desto weniger wüsten Griffen muß sich der Solist abplagen und desto virtuoser können die Stücke ausfallen. An Saiten herrscht vor allem auch bei der Theorbe kein Mangel, einem riesigen Zupfinstrument mit langem Hals, bei dem einige der Saiten nicht überm Griffbrett liegen, so daß man über ihre Funktion
ins Grübeln kommt. Bei mehreren Stücken des Abends kam sie als Soloinstrument zum Einsatz.

Auch nach Mittenacht heraufdringende Autohupen (begannen etwa schon die Vatertagspartien?) konnten den Eindruck nicht abschwächen: Dem sympathischen Musikerpaar war es gelungen, der lauen Mainacht einen barocken Zauber zu verleihen.

Bachfest 2002
Nachtkonzert

Hille Perl, Viola da gamba
Lee Santana, Theorbe

Musik von Louis Couperin, M. de Sainte-Colombe, Robert de Visée, Marin Marais, Antoine Forqueray

(Foto: Bacharchiv)

8. Mai 2002, Altes Rathaus, Festsaal

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