Jesus Christ Superstar in Halle (Lutz Hesse)

Jesus Christ Superstar am Opernhaus Halle
(Premiere am 15.02.2002)

Raum als Bühne! Unmißverständlich behauptet der Bühnenraum von Bernd Leistner bereits beim Betreten des Saals die Absicht der Inszenierung – die Täfelung des Zuschauerraums findet sich im Bühnenrund wieder, über der Bühne schweben zwei Dreiecke, die gleichsam Davidstern oder Fenster sein können, ein Haufen Schrott unterhalb der Bühnenmitte, bestehend aus Stahlträgern und Betonteilen, verweist in unsere Gegenwart, Judas hält seine Anklage an Jesus auf einen Podest aus dem Saal heraus: Hier wird ein Fall behandelt, der uns betrifft.
Vor 30 Jahren am Broadway uraufgeführt, erreichte „JCS“ bereits fünf Monate später die deutsche Provinz; nun wird das Werk auch im zumeist atheistischen Osten heimisch.

Nachhilfe in Sachen Neues Testament? Mitnichten, denn die Geschichte von Macht und Verrat läßt sich in Webbers Version nicht in einen verklärenden Mythos verzerren. Hier ist von der menschlichen Unrast, die zum Verrat führen kann, von Liebe und von deren Scheitern die Rede. Grell und überzogen, unbekümmert und laut
wird die Geschichte der letzten sieben Tage im Leben des Jesus von Nazareth erzählt. Das wirkt nach 30 Jahren bei weitem nicht mehr so provokant und muß deshalb nicht wie eine zuckersüße Kindergeburtstagstorte daherkommen.

Gerhard Platiel hat „Jesus Christ Superstar“ an der Oper in Halle inszeniert und konnte sich eines hoch motivierten Teams versichern. Allen voran die drei Hauptdarsteller: Sascha S. Krebs als Jesus von Nazareth, stimmlich beeindruckend gewinnt seine Bühnenpräsenz jedoch erst im zweiten Teil des Abends an Schärfe. Sein Widerpart Judas dagegen beherrscht die Szene von Anbeginn. Stefan Vinzberg zeigt seinen Judas zwischen hochmütiger Ironie und quälendem Zweifel an sich selbst. Virtuos sein stimmlicher Einsatz.
Ines Agnes Krautwurst kann als Maria Magdalena ihre Erfahrungen als Rock- und Jazzinterpretin in diese Rolle einbringen. Sie macht denn auch „I don`t know how to love him“ zum Showstopper. Olaf Schöder ist Pontius Pilatus. Seine kluge Spielweise denunziert die Figur nicht. W. Stephen Shivers zeigt einen exaltierten Kaiphas, manchmal schon an der Grenze der Karikatur. Dagegen sind Hans-Jürgen Wachsmuth, Jörg Decker und Timothy Alois Cruickshank glaubwürdiger in ihrer Rollengestaltung. Weniger ist manchmal mehr. Die Chorszenen sind mehr zu Tablaeus gestellt als inszeniert. Musikalisch ist die Aufführung unter der Stabführung von Harald Knauff erstaunlich differenziert. Selbst der teilweise überbordende rockige Orchesterklang wirkt sehr
transparent.

Insgesamt eine raumfüllende, beeindruckende und auf Tempo gespielte Produktion, die in einigen Szenen wie etwa der Begegnung Jesus – Maria Magdalena eine intensivere Personenführung zugelassen hätte.

(Lutz Hesse)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.