Peter Lüder: „Nightflight”, Premiere (Dajana Bajkovic)

10. Mai 2002, LOFFT – Produktion des Poetischen Theaters e.V.

Peter Lüder: ?Nightflight? (Premiere)

Schauspieler: Cécile Guyomard, Katharina Kwaschik, Eckhard Müller, Sven Philipp
Video: Sven Gorisek
Musik: Hagen Kleemann

Text & Regie: Peter Lüder
Dramaturgie: Steffi Nickel
Ausstattung: Marcus Schmidell
Technik: Jörg Schallenberg

Wer bislang keine Verbindungen zu der Rave-Generation hatte, der hat nun die Möglichkeit, sich im LOFFT ein Bild über diese Jugend-Pop-Kultur malen zu lassen. ?Nightflight? ist eine Momentaufnahme von dem nächtlichen Leben der Techno-Keller, eine Momentaufnahme von alltagsverdorrten, lebensheißhungrigen Jugendlichen.

Nightflight – Nightlight – Nightfight – Nightright – Nighthigh

… die freudige Erwartung der zwei jungen Frauen und der zwei jungen Männer (erinnert ein wenig an ABBA) richtet sich ganz auf die Nacht, in der sie die Erfüllung ihrer Wünsche zu finden hoffen. Da ist die Emanze, die Männer verachtet, der Softie, der Angst vor der bevorstehenden nächtlichen Selbstzerstörung hat, der Coole, der nach dem Glück eines anonymen Ficks lechzt und die Verträumte, die Hollywood als Lebenssinn und -ziel erklärt. Diese explosive Konstellation hält aber nicht, was sie verspricht.

In der Nacht der Nächte vermischen sich diese vier Charaktere zu einem Einheitsbrei: Sie lassen sich ganz von dem ?Neonlicht?, ihrem Gott der Wahrheit, und dem ?DJ?, ihrem Gott der Musik, der Gefühle, leiten. Fehlen Licht und Beat, so erscheint es ihnen so anstrengend wie eine ?Geburtspassage?, der Beat füllt ?Lebenslöcher?, das Licht wischt ?Spastenkapital? weg. Was bleibt, sind charakterlose atomartige Elemente, die aufeinandertreffen, auseinanderdriften, wieder zueinander stoßen und ineinander stoßen – über jeden Grad der Erschöpfung hinaus, denn trotz seines faden Beigeschmacks geht dieses Spiel endlos weiter.

SEX & DRUGS & ROCK`N ROLL, das altbewährte, vermeintliche Rezept für berauschendes Glück ist auch noch in der modernen Popkultur voll hipp. Techno heißt heute der Raum der unerfüllbaren Sehnsüchte, Ecstasy ist neben allen anderen Rauschmitteln das Mittel der Wahl, und Gruppensex im Dark-Room gehört einfach dazu. Die vier Raver durchfahren ihr Wunderland auf dem Klangteppich der Musik. Der DJ steht über ihnen an seinem Mischpult und lenkt von dort aus ihre Gefühle. Ihr Schweben durch den Techno-Keller spiegelt sich auf einer Operafolie, auf der ein Rochen durch die Meere fliegt – ihre Erschöpfung endet dort im Seegrasdschungel.

Kitsch oder Kultur? Diese Frage stellt sich auch durch den allzu häufigen Wechsel des Blickwinkels des einstündigen Spektakels. Mal beobachtet der Zuschauer die Raver, mal kann er ihre Gedanken lesen, mal schiebt sich eine Person zwischen ihn und das Bühnengeschehen und immer wieder formieren sich die Raver zu einem Chor hinter dem Mikrofon, von wo aus sie etwas übersteuert dem Publikum die Grundbegriffe des Raver-Feelings verkünden. Vor diesem Hintergrund erscheinen die philosophischen Betrachtungen des Softies, der dem Zuschauer weismachen will, sie, die Raver, wüssten, was sie tun, wie der letzte Schmelzüberzug einer dramaturgischen Kitschtorte. Weniger ist in manchen Fällen mehr. Das hätte man im Hinblick auf den überhöhten Einsatz von Lichteffekten stärker befolgen sollen. Kein Flimmern, kein Schwarzlicht und keine Discoampel dämpft die überzogene Coolness der vier Raver. Dagegen helfen die passend gemixten Musikeinlagen des DJ`s den Schauspielern über ihre anfängliche Verspannung hinweg.

Trotz der Schwächen vermittelt das Ensemble originär, welche Bedeutung Musik für die Rave-Generation hat: ?Wichtig ist, dass die Musik nicht nur ausschließlich hörbar ist, sie muss fühlbar sein. Im Idealfall imitiert und reguliert sie den Schlag des Herzens.? Dass das Stück sich in der Lebensfreude der Raver auflöst, mag ein Plädoyer für die nächste Love-Parade in Berlin sein.

(Dajana Bajkovic)

Weitere Aufführungstermine: Jeweils um 20.30 Uhr
11.05.2002
15.05.2002
16.05.2002
17.05.2002
30.05.2002
31.05.2002
01.06.2002

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