Musikalische Heldensagen

Das „Grosse Concert“ des Gewandhausorchesters mit Wagner und Beethoven

Das Konzert für den Erzherzog von Österreich, Beethovens fünftes Klavierkonzert, ist erfüllt von Empfindungen des Glorreichen, der Zurückhaltung, der Sehnsucht und auch des Militärischen. Bisweilen meint man einen Menschen von hohem Range vor sich zu sehen, mit Orden und womöglich einer Krone bestückt. Dieser hochverehrte Unbekannte – durch den Solo-Part dargestellt – stellt sich mit Virtuosität, großen Akkorden, aggressiv gespielten Klängen, gepfefferten Läufen und Arpeggien dar. Er ist aber nicht nur Macho. Er kann auch durch seinen perlend-süßen Charme den Zuhörer in den Bann ziehen und verführen. Zuckersüße Läufe lassen die militärische Überlegenheit fast vergessen. Es gibt auch Augenblicke, in denen diese schillernde Figur wie ein kleiner Junge wirkt – da erklingen Töne auf dem Klavier, die aus einer Spieluhr gezaubert sein müssen. Ebenso die ruhigen, erzählenden Töne, die besonders im zweiten Satz vorkommen, zeigen, daß selbst die hochverehrten Menschen manchmal ganz „einfach“ sein können.

Mal stehen sich Orchester und Klavier gleichberechtigt gegenüber und wechseln Worte, mal begleiten die zahlreichen Instrumente den Solisten, an anderer Stelle hat nur das Orchester das Sagen. Das Zusammenspiel war gelungen, selbst wenn die virtuosesten, kadenzartigen Momente von Bruno Leonardo Gelber nicht mehr rhythmisch präzise, aber dafür wie ein Wirbelwind gespielt wurden. Zuweilen musste auch das Allheil-Mittel des Pianisten für schwierige Läufe genutzt werden: das rechte Pedal. Eine Zugabe gab es trotz des berauschenden Applaus‘ leider nicht.

Mit großer Orchesterbesetzung folgten Auszüge aus Wagner-Opern. Dichte Klänge und immer wiederkehrenden Themen sind kunstvoll durch die Stimmen verwoben und deuten bereits im Vorspiel von Tristan und Isolde das tragische Ende an. Sehnsüchtig, lechzend, zum Höhepunkt treibend, der „in des Welt Atems wehenden Hall“ führt, finden Luana Devol und die symbolisch eingesetzten Instrumente ihr Glück. An Harfen- und Flötenklängen fehlt es keineswegs, stimmige Harmonien und nach Auflösung dürstender Lust füllen den Raum.

In der Musik zur Götterdämmerung wird der Name Siegfried zum Programm. Siegreich und friedlich breiten auch hier sich die großen, weit geschichteten Akkorde aus. Von Ferne hört man Siegfried näher kommen. Mit punktierten, königlichen Rhythmen ist er schließlich in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt. Triangel, Flöten und Hörner in idyllischer Musik malen den Hintergrund dazu: eine weite Landschaft. Doch Siegfried muß kämpfen. Virtuose Streicherklänge, Paukenwirbel und Beckenschläge lassen erkenne, daß es soweit ist. Und der Trauermarsch verrät schließlich, daß es Siegfried nicht geschafft hat. Brünnhildes Gesang ist eine Hymne an den Geliebten. Die große Stimme der Sopranistin durchdringt die Zuhörer mit ihrer Intensität. Schmerzvoll und gen Himmel sucht sie ihren Weg, den getöteten Geliebten wiederzufinden.

GEWANDHAUSORCHESTER

Dirigent
JONATHAN NOTT

Solisten
BRUNO LEONARDO GELBER, Klavier
LUANA DEVOL, Sopran Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73 Richard Wagner (1813 – 1883)
Vorspiel zum 1. Akt
Isoldes Liebestod „Mild und leise wie er lächelt“
aus „Tristan und Isolde“

Morgendämmerung und Siegfrieds Rheinfahrt
Trauermarsch bei Siegfrieds Tod
Schlußszene der Brünnhilde „Starke Scheite“
aus „Götterdämmerung“

Donnerstag, 23. Mai 2002

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