„Die Israeliten in der Wüste“

Das Collegium vocale und das Collegium musicum führen Carl Philipp Emanuel Bach in der Musikhochschule Leipzig auf

Um es gleich vorweg zu sagen: Das konstituierende Konzert des neuen Ensembles, das sich größtenteils aus Studierenden der Fachrichtung Schulmusik der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy zusammensetzt, ist gelungen. Obwohl das Oratorium eigentlich gar keine Handlung hat – vielmehr ist es ein statisches Stimmungsbild der klagenden Israeliten sowie ihres Führers und Fürsprechers Mose -, gelang es Michael Reuter, einen Spannungsbogen aufzubauen, der die Aufführung trug. Die schönen und vielfältigen musikalischen Details der Musik C. P. E. Bachs kamen fast ausnahmslos zur Geltung.

Dabei ließ das übertrieben entschuldigende Vorwort des Fachrichtungsleiters der Hochschule Frank Peter in dem ansonsten sehr interessanten und informativen Programmheft auf ein solch gutes Gelingen gar nicht hoffen: „Manches Orchestermitglied hat vor drei, vier Jahren sein Instrument zum ersten Mal in die Hand genommen.“ Gemessen an dieser Ankündigung wurden die Erwartungen durch einen über weite Strecken sicheren Orchesterapparat, eine klangschön und ruhig musizierende Konzertmeisterin Anke Metzing und einen kompakten Streicherklang weit übertroffen. Schwächen zeigten sich nur in den z. T. sehr unsauberen Blechbläsern, dem in Nr. 15 etwas überforderten Solo-Fagott und im Zusammenspiel bei den Schlußkadenzen. Der Chor sang sicher und mit sauberer Intonation, wobei sich allerdings die Männerstimmen nicht recht durchsetzen konnten und so kaum zu hören waren.

Der gebürtige Texaner Joseph Gaines (Tenor) erwies sich als glänzende Wahl für dieses Werk. Die insgesamt wenig umfangreichen Partien des Aaron am Beginn und Ende meisterte er mit hervorragender Aussprache und Textverständlichkeit, klarer, sauberer Intonation sowie angemessenem Ausdruck. Erst spät und durch eine Sinfonia vorbereitet wird die Gestalt des Mose eingeführt. Bert Mario Temme erfreute hierbei durch seine sonore Stimme, überraschte auch mit einem überzeugenden, sehr sprechenden stimmlichen Gestus in den Arien. Die Koloraturen in Nr. 18 waren hingegen wohl nicht sein Metier – die Tonhöhen konnte man teilweise nur ahnen, und an einigen Stellen waren sie schlicht falsch. Auch die zweite Sopranistin, Alexandra MacDonald (zweite Israelitin) hatte mit den Koloraturen Schwierigkeiten und schränkte überdies den im Grunde schönen Klang ihrer Stimme durch einen übertrieben pathetischen Ausdruck und dick aufgetragenes Vibrato unnötig ein. Herausragend aber Ulrike Fulde: professionell, ausdrucksstark, sicher, mit warmer, weicher, präziser und differenzierungsreicher Stimme war sie ohne erkennbare Anstrengung auch den technisch schwierigsten Passagen gewachsen.

Die gelungene Kombination aus den musikalischen Mitteln und der Wahl des Stoffes machte diesen Abend zu einem schönen Konzerterlebnis: Ein interessantes und leider nur selten gespieltes Stück mit passendem Schwierigkeitsgrad für das Debut eines jungen, den Status eines Laienorchesters deutlich übertreffenden Ensembles.

Ulrike Fulde, Sopran
Alexandra MacDonald, Sopran
Joseph Gaines, Tenor
Bert Mario Temme, Bariton

Collegium vocale und Collegium musicum
Leitung: Michael Reuter
Carl Philipp Emanuel Bach: „Die Israeliten in der Wüste“ Wq 238

Sonntag, 26. Mai 2002, Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.