Mahlers „Lied von der Erde“ für Singstimme und Klavier
„Bin morgen in Chemnitz“, telegrafierte der berühmte norwegische Maler und Grafiker Edvard Munch überraschend kurzfristig an das Fabrikantenehepaar Hanni und Herbert Esche, die den Künstler im Oktober 1905 in ihrer neu erbauten Villa zu einem höchst erfolgreichen Arbeitsaufenthalt empfingen. Die damit verbundene weltoffene und gastfreundliche Atmosphäre konnte nun in einem bezaubernden Liederabend nachempfunden werden, zu dem die Grundstücks- und Gebäudewirtschafts-Gesellschaft Chemnitz eingeladen hatte. In der glänzend restaurierten Villa Esche schlugen Tenor Björn Haugan und Pianist Pär Östlund mit vornehmlich skandinavischen Werken musikalische Brücken zu ihrem Landsmann. Vorher hatte Andrea Pötzsch mit instruktiven Lichtbildern auf die in Chemnitz entstandenen Porträts von Munch und die interessanten Umstände seines Besuchs hingewiesen.
Sechs der bekanntesten Lieder von Edvard Grieg ließen faszinierende Stimmungen aus bodenständiger Rhythmik und melancholisch gefärbter Harmonik entstehen, die Assoziationen an die Bilderwelt des Malers nahe legten. Mit seinem klaren, kraftvollen Timbre und der Verwendung der Originalsprache trug Björn Haugan zudem zur Entdeckung von Verwandtschaften zwischen Musik und Malerei bei, wie sie im traditionellen Konzertbetrieb kaum möglich sind. Außerdem erreichte der norwegische Tenor, der sonst vor allem auf den großen Bühnen Nordeuropas agiert, mit charmanten Erläuterungen zur Musik seine begeistert mitgehenden Zuhörer.
Als besonderes Präsent sang er nach erlesenen Stücken von Ture Rangström und August Södermann den ersten Teil aus Gustav Mahlers „Lied von der Erde“. Das sinfonisch angelegte Werk war lange Zeit nur in der Orchesterfassung bekannt. Seit etwa zehn Jahren geht es aber auch in der von Mahler selbst geschaffenen Klavierfassung um die Welt. Es verlangte von beiden Interpreten enormes Gestaltungsvermögen und verdeutlichte die ebenbürtige Leistung des Pianisten.
So zurückhaltend und einfühlsam sich Pär Östlund der Liedbegleitung widmete, so virtuos und selbstbewusst meisterte er die 3. Klaviersonate von Sergej Prokofjew und eine Chaconne von Gunnar de Frumerie. Besonders ergreifend traf er das phantastische Ambiente des zum Teil von Kerzen erhellten Hauses, als er sich Liszts Bravourstück „Die Wasserspiele der Villa d`Este“ zuwandte und sich zum Schluss gemeinsam mit seinem Partner durch die Zugabe von Ravels „Vokalisen-Etüde“ bei den zahlreichen Besuchern bedankte.
Mahlers „Lied von der Erde“ für Singstimme und Klavier
Villa Esche Chemnitz, 29.08.2002
Kommentar hinterlassen