Es geht auch solo

Albrecht Winter spielt Werke für Violine im Gewandhaus

Und da sage noch einer, Musik für Violine solo, also ohne Begleitung eines Tasteninstrumentes, Orchesters oder Basso continuo, sei langweilig. Die Werke, welche Albrecht Winter, Konzertmeister der 2. Violinen des Gewandhausorchesters, am 6. Oktober im Kammerkonzert aufführte, belegten das Gegenteil, wurden diese polyphonen Barockkompositionen doch fast alle von Violinvirtuosen verfasst. Thomas Baltzar (1630/31-1663) stammte aus Lübeck und machte in England Karriere. Sein Prelude für Violine allein ist doppelgrifftechnisch nicht so schwer wie die noch folgenden Stücke, aber die dadurch erreichte Lockerheit des Klangs machte es ideal als Einstieg.

Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704) verwandte gern Scordatura, er lässt also die Geige nicht in der üblichen Quintstimmung (g-d1-a1-e2) spielen, sondern z. B. auf as-es1-g1-d2; 18 unterschiedliche solcher Skordaturen sind von ihm bekannt. Auch in den sogenannten Mysteriensonaten wird die Violine mehrmals umgestimmt, nicht jedoch in der „Schutzengel“-Passacaglia, dem letzten Stück dieser Sammlung, das Winter spielte, nicht ohne vorher auf den Psalm 32 zu verweisen, auf den es bezogen ist.

Auch Johann Paul Westhoff (1656-1705) war – wie Baltzar – ein Meister des mehrgriffigen Spiels. Von ihm war die Suite Nr. 6 für Violine solo zu hören, bevor Johann Sebastian Bachs (1685-1750) Sonate Nr. 2 für Violine allein (a-Moll) den ersten Teil des Konzerts beschloss. Diese Sonate glänzt (wie sollte es bei Bach auch anders sein) vor allem durch ihren zweiten Satz, die Fuga.

Nach der Pause ging es weiter mit dem letzten Satz der Sonata da camera von Francesco Montanari (gest. 1730), einer Gigue für Solo-Violine. Montanari war Schüler Arcangelo Corellis und spielte im Orchester der Peterskirche in Rom. Auch Francesco Geminiani (1687-1762) war Corelli-Schüler. Er lernte Komponieren bei Scarlatti und schrieb u.a. eine theoretische Schrift mit dem Titel The Art of Playing on the Violin. Es erklang seine Sonata a Violino solo senza Basso B-Dur, die im Aufbau der Sätze der Sonate Nr. 2 von Bach entspricht. Ebenso wie Geminiani schrieb auch Pietro Antonio Locatelli 1695-1764) eine Kunst des Violinspiels, jedoch nicht als theoretische Schrift. Er fasste von ihm komponierte Capricen in einem Buch zusammen, woraus Winter die Nummern 8 und 23 spielte.12 Fantasien für Violine ohne Bass hat Georg Philipp Telemann (1681-1767) geschrieben, in der fünften ist ihm die Verschmelzung von galantem Stil und polyphoner Kompositionsweise am besten geglückt, wovon man sich zum Abschluss überzeugen konnte. Spielfreude und gute Technik Winters überzeugten an diesem Abend genauso wie die ausgewählte Literatur. Sehr sympathisch waren die Zwischenmoderationen des Interpreten, die in die Stücke einführten und den jeweiligen Komponisten vorstellten. Auch die Zugabe war wohlbedacht: Das Adagio aus der Sonate Nr. 3 für Violine allein (C-Dur) von J. S. Bach war das allererste Stück, das er ohne Begleitung spielen durfte, wie Winter erklärte.

Werke „a Violino senza Basso“

Albrecht Winter, Violine

06.10.2002, Gewandhaus, Mendelssohn-Saal

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