Duotica, Nachtschattengewächse, Chansons zwischen Hysterie und Wahnsinn (Babette Dieterich)

Dienstag, 08.10.02
Kabarett Leipziger Funzel, im Rahmen der Lachmesse

Duotica, Nachtschattengewächse, Chansons zwischen Hysterie und Wahnsinn


Routiniert zelebrierte Sehnsüchte

Licht ins Dunkel der Nacht wollten das Duo Duotica, alias Marion Schulz und Holger Edmaier, mit ihrem Pianisten Thomas Möller bringen. Was sie in die Leipziger Funzel brachten, war ein routiniertes Programm mit eingespielten Gesten, angedeuteten Choreographien, schön gesungenen Liedern und wenig spontanen Zwischenmoderationen. War es der nur zu zwei Drittel gefüllte Saal oder die anfangs zögerliche Reaktion des Publikums, jedenfalls brauchten die beiden Sänger eine Weile, um in Fahrt zu kommen. Sowohl die angekündigte Hysterie als auch der Wahnsinn dieses zweiten Programms des Kölner Duos ließen ein wenig auf sich warten, die Chansons wirkten eher unterkühlt und distanziert vorgetragen.

Sie ist Lesbe, er ist schwul, beide machen keinen Hehl daraus, und doch ist dieser Umstand mittlerweile so gängig auf den Chansonbrettern, dass ein stinknormaler Hetero schon wieder mehr Exotik verströmt. Jedenfalls, wenn wie an diesem Abend, das andere Ufer in etwas abgegriffenen Klischees und stereotypen Gesten präsentiert wird.

Doch es gab in diesem Grau der Katzen und Nachtschattengewächse auch einige Lichtblicke: Da war im ersten Teil des Programms das geniale Lied der Nachtschwester Hildegard, die sich als Vampir entpuppt. Und die starken Momente häuften sich dann im zweiten Teil. In einem Duett ließen sich Marion Schulz und Holger Edmaier über Varianten des Ermordens aus. Mit dem Lied „Engel“, einer reizvollen Mischung aus gesprochenen, nüchtern beobachtenden Strophen und gesungenem Refrain, verfolgten sie den Alltag einer Nutte. Ein Käsebrötchen, das sie sich vor Arbeitsbeginn gekauft hatte, wird im Laufe des Abends immer trockener, der Käse wellt sich. Ein starkes Symbol für Vergänglichkeit und Banalität dieses Berufs.

Auch eine Hausfrauennummer mit Putzkittel durfte nicht fehlen. Die ideale, unschuldige Traumfrau entpuppt sich als Zigarre rauchende Schlampe. So etwas kommt immer an beim Publikum. Ein Griff ins Klo und tief unter die Gürtellinie war hingegen die fingierte Umfrage, wen man/frau sich als Idealpartner vorstellt. Auf Platz Eins rangierten Bier („Es ist WIRKLICH blond“) und Gurke („Bleibt eine Woche lang hart“). Nun ja, Lacher gab’s trotzdem, und Schwarzbier durfte sich diskriminiert fühlen.

Etwas ungeklärt bleibt die Rolle des Pianisten Thomas Möller, der kurz vor Schluss ein kleines Sprechsolo hatte und sich über die musikalische Form des Walzers ausließ. Die Sänger wurden immer genervter und schnitten ihm schließlich das Wort ab. Ist er der Klugscheißer? Der unterdrückte Pianist, der wie bei Pigor und Eichhorn den Sänger begleiten MUSS? Diese Rolle wäre noch zu klären und ist ausbaufähig, da der Pianist durchaus komödiantische Qualitäten zeigte.

Mit einer Zugabe brachte das Kölner Duo noch ein weiteres Highlight des Programms und zeigte sich von seiner humorvollen Seite: Der erste Kuss eines pubertären Liebespaares endet im Desaster der sich ineinander verhakenden Zahnspangen.

Reichlich Beifall und Bravorufe gab es für ein Programm, das mit zu viel Routine zu wenig Neues brachte vom andern Ufer und aus dem Dunkel der Nacht.

(Babette Dieterich)

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