Die Eröffnung der „Akademischen Konzerte” mit Frank Michael Erben und Jonathan Agar im Gewandhaus
Facettenreich und bunt gemischt sollte dieser Abend sein, genau wie der Semesterbeginn. Darum bemühte sich vor ausverkauftem Saal das Akademische Orchester unter der Leitung von Horst Förster. Das Programm war entsprechend ausgewählt. Georg Friedrich Händels „Feuerwerksmusik“ eröffnete die neue Saison. Mit Pauken und Trompeten erklangen Fanfaren, wie man es zu einer festlichen Angelegenheit erwartet. Leichte Tänze, Freudenhüpfer und wandernde Baß-Töne ließen das Bild eines reichen Festes erahnen. Man mochte bei den vielen Blechbläser-Klängen schon fast an Weihnachten denken, und den Zuhörern wurde bei den bekannten Orchesterklängen wohlig zumute.
Besonders reizvoll und ganz anders als Händels Musik war William Waltons „Façade, Musikalische Unterhaltung mit Gedichten von Edith Sitwell“. Das Werk wurde 1923 uraufgeführt. Es ist für Flöte, Saxophon, Cello, Schlagzeug, Horn, Trompete und eine deklamierende Stimme geschrieben. Die zu Beginn an Stravinsky erinnernden schrillen Flötentöne in Verbindung mit dem Militär-Trommelwirbel sorgten für leicht pikierte Gesichter im Publikum. Doch schon bald begannen sich die Zuhörer an dieser Musik zu erfreuen, denn zu den humorvoll-dissonanten Tönen kamen berühmte englische Melodien, einfache Tanzrhythmen und Passagen, die an Kurt Weills „Dreigroschenoper“ oder an Carl Loewes „My fair Lady“ erinnerten. Doch das beste war der zu dieser Musik halb gesprochene und halb gesungene Text, den Jonathan Agar in einem manchmal virtuos-rasanten Tempo zu der Musik erklingen ließ. Die Instrumente malten oft nach, was der Sprecher erzählte. So zeichneten die Flöten das Wort „butterfly“ mit flatterhaften leichten Melodien; an anderer Stelle bekam der Tango, der im Zusammenhang mit den Worten „Don Pasquito“ in Verbindung gebracht wurde, ein paar Kastagnetten-Klänge und gedämpften Trompetengesang als Untermalung. Nach der witzig-derben Polka folgte der Walzer mit dem berühmten „hum-pa-pa“-Rhythmus, wobei die Schläge zwei und drei vorzüglich gegeneinander dissonierten. Außerdem wurde dieser durch improvisiert klingende Vorschläge und Verzierungen verschönt. Der Jodelgesang („Jodelling song“) wiegte sich in Dreierbewegungen, dabei fehlte auch das Wort „cow“ nicht ? denn schließlich muß man sich ja eine idyllische Landschaft mit Kuh beim Jodeln denken können! Viele solcher herrlichen Details füllten diese Musik aus den 20er Jahren, daß es nur so eine Freude war, zuzuhören. Nach dem Händel war dies eine wunderbare Erfrischung!
Edward Elgar erschuf mit seinem „Pomp and Circumstance, March Nr. 1“ wohl das meistgespielte Stück für Universitäts-Anlässe – meist zu „graduations“ – und gehörte somit auch auf das heutige Abendprogramm. Großartige Klänge schritten auf dem Weg der erfolgreichen Studenten, man ist stolz, dabei zu sein. Jubelklänge, dynamische Steigerungen, momentane Verzögerungen zum Spannungsaufbau und der immer dichter werdende, ehrenvoll schreitende Marsch versetzten das Publikum in genau die Situation, die sie sich von diesem Abend wohl erträumt hatten.
Nach der Pause erklang das Brahms-Violinkonzert, welches von Frank Michael Erben gespielt wurde. Die Komposition ist so bekannt und schön, daß sie hier nicht noch eingehend beschrieben werden muß. Es genügt zu sagen, daß sich Orchester und Solist blendend vereinten. Bei dem äußerst anspruchsvollen Werk gelangen dem Solisten die sanglichen Passagen am besten. Man wollte nur so dahinschmelzen. Am Ende des Konzerts stand schließlich, passend zum Semesteranfang, die „Akademische Festouvertüre“ von Brahms – belohnt mit dem Applaus glücklicher Zuhörer.
1. Akademisches Konzert 2002/2003
Frank Michael Erben, Violine
Jonathan Agar, Sprecher
Akademisches Orchester, Horst Förster
14. Oktober 2002, Gewandhaus, Großer Saal
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