Boccherini als Brite im Geiste

Kammermusik und Film: Musik für ein Streichquartett und „The Ladykillers“

Gibt es etwas Seriöseres als fünf Herren, von denen zudem einer ein Major und einer ein Professor ist, die sich zur Ausübung von Kammermusik zusammenfinden? Sie spielen das berühmte Menuett aus dem Streichquintett A-Dur op. 13/5 von Luigi Boccherini. Und das so gekonnt, dass ihre Vermieterin sie für gestandene Berufsmusiker hält. Was die liebenswerte alte Lady aber nicht weiß, ist, dass in Wahrheit nur der Plattenspieler läuft und die fünf Herren, die sich bei ihr eingemietet haben, derweil einen Raubüberfall planen. Freilich scheitert dieses Unterfangen letztlich; und zwar daran, dass die alte Dame das verbrecherische Treiben ihrer Untermieter durchschaut und sie zur Rede stellt.

Es gibt einige Fälle in der Filmgeschichte, in denen ein Musikstück eine so herausragende Rolle spielt wie in dem britischen Klassiker „The Ladykillers“. Dennoch dürfte dieser Film diesbezüglich einen der prominentesten Plätze für sich beanspruchen. Einzigartig, wie sich hier ein tiefgründig-schwarzer Humor und eine überaus britische Lebensart mit dem musikalischen Ausdruck dieses klassischen Boccherini-Menuetts verbinden. Film und Musik bilden eine Einheit und sind nicht mehr voneinander zu trennen. Am Ende scheint es so, als gäbe es nichts Britischeres als dieses im 18. Jahrhundert von einem Italiener komponierte Stück. Solche Möglichkeiten tun sich auf, wenn Musik und Film eine vollkommene Synthese bilden.

Der Film „The Ladykillers“ ist immer wieder sehenswert. Und es ist schwer mit einem Filmklassiker dieses Formats zu konkurrieren. Das Konzept des Kammerkonzerts, welches der Filmvorführung voranging, schien zudem nicht ganz einleuchtend. Das Leipziger Laetitia-Quartett (wieso kein Streichquintett?) spielte zuerst das besagte Boccherini-Menuett; unter Auslassung einer Stimme, was nicht weiter auffiel. Doch wäre es vielleicht schöner gewesen, hier nun das ganze Quintett von Boccherini oder auch andere verwandte Stücke zu spielen. Statt dessen gab es zwei Arrangements von Gershwin-Stücken („The Man I love“ und „I’ll build a staireway to paradise“), welche auf die Geschichte der Aufnahmetechnik und des Radios verweisen sollten.

Etwas unmotiviert folgte dann Beethovens Streichquartett in B-Dur op. 18 Nr. 6., schön gespielt, aber nicht bis ins letzte Detail ausgeformt. Rhythmische Ungenauigkeiten schlichen sich ein. Der musikalische Höhepunkt dann ein Quintett in Es-Dur von Adolf Busch, dem deutschen Star-Geiger der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Streichquartett wurde nun ergänzt von der Altsaxophonistin Karola Elßner und somit nun tatsächlich zum Quintett. Der besondere Reiz dieses Quintetts lag vor allem in der Verbindung eines eigentlich konventionellen, spätromantischen Streichquartetts mit dem klanglichen Fremdkörper eines Saxophons.

Die ganze Zeit stand vorne links ein Grammophon, rechts ein Cellokasten. Vor allem Letzterer, der in „Ladykillers“ am Ende eine so entscheidende Bedeutung spielt, stimmte schon während des Konzerts auf den Film ein. Die Vorfreude wurde dann auch nicht zu sehr strapaziert: Nach einer guten Stunde war das Konzert vorbei, es gab eine einstündige Pause, in der man essen konnte und dann: der wunderbare Film. Eine schöne Mischung also und ein allerdings nur fast idealer Abend.

Kammermusik und Film: Musik für Streichquartett und „The Ladykillers“ (GB 1955)

Laetitia-Quartett
Karola Elßner, Saxophon

24. November 2002, Schaubühne im Lindenfels

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