Venezia! Kunst aus venezianischen Palästen. Sammlungsgeschichte Venedigs vom 13. bis 19 Jahrhundert, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Bonn, bis zum 12. Januar 2003 (Steffen Lehmann)

Venezia! Kunst aus venezianischen Palästen. Sammlungsgeschichte Venedigs vom 13. bis 19 Jahrhundert, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Bonn, bis zum 12. Januar 2003, Katalog 34 Euro.


?La Serenissima? stellt sich vor

?La Serenissima? ist die ehrfurchtsvolle Bezeichnung, mit der die Venezianer ihre Stadt preisen. Das Bild Venedigs in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren vor allem durch Kommissar Brunetti geprägt. Der Held Donna Leons Kriminalromane schaffte es auf recht unprätentiöse Weise, sich als Botschafter der Lagunenstadt ins Bild zu setzen. Der Ruhm der Stadt gründet jedoch auf der Kunst. Das Sammeln von Kunstwerken diente nicht allein der Befriedigung eines persönlichen Kunstinteresses. Zu einem nicht unerheblichen Teil war sie mit der öffentlichen Selbstdarstellung und Präsentation verbunden. Die venezianischen Sammlungen sind deshalb nicht nur Zeugnis eines außerordentlichen Kunstverständnisses, sondern auch der Geschichte dieser Stadt in all ihren Facetten.

Die Bonner Ausstellung ?Venezia!? bringt erstmals wieder einige der schönsten Kunstsammlungen Venedigs zusammen. Das Verdienst der Ausstellung ist es, dass hier viele Meisterwerke der venezianischen Kunst, darunter Gemälde von Giorgione, Tizian, Tintoretto und Canaletto wieder in ihrem ursprünglichen Sammlungskontext betrachtet werden können. Die über 350 Objekte bieten einen beeindruckenden Überblick von den mittelalterlichen Kostbarkeiten der Schatzkammer San Marco bis zu den Stoffen, Gemälden und Theaterdekorationen aus dem Atelier des letzten venezianischen Maler- und Künstlerfürsten Mariano Fortuny. Im Mittelpunkt steht aber die bedeutendste venezianische Sammlung der Renaissance: Die Kollektion der Familie Grimani.

Den Beginn der Ausstellung markiert die im 12. Jahrhundert eingerichtete Schatzkammer (Tesoro) der venezianischen ?Staatskirche? von San Marco. Sie war zugleich der eigentliche Beginn des öffentlichen und privaten Sammelns in Venedig. Beheimatet im Palast des Dogen ist sie das erste Beispiel eines staatlichen Museums, das dem allgemeinen Publikum zugänglich war. Die dort ausgestellten Objekte sollten der Bevölkerung demonstrieren, dass der Staat und seine Repräsentanten unter göttlichen Schutz stehen.

Jede Sammlung ist weit mehr als die bloße Anhäufung von Kunstwerken. Viel stärker gibt sie Auskunft über den Charakter des Sammelnden, seine Motive und Vorlieben. Zugleich spiegelt eine Sammlung immer auch den jeweiligen Geist einer Zeit wieder. In den letzten Jahren ist das Interesse an der Geschichte von Sammlungen beträchtlich gestiegen. Die Ausstellung versucht die Geschichte ihrer Sammlungen zu rekonstruieren und den Spuren zu folgen, die diese hinterlassen haben. Auf den ersten Blick offenbart sich dem Betrachter ein ?ungeordnetes? Sammelinteresse, was mit dem Fehlen eines venezianischen Herrscherhauses zu erklären ist. So etablierte sich im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Kollektionen (Bilder, Antiken, Münzen und Medaillen, Antiquitäten und Bücher). Was die venezianische Sammlungen so einzigartig macht, ist die Konstanz, mit der die Kunstwerke über mehrere Jahrhunderte zusammengetragen wurden.

Das Ende der venezianischen Sammlungen kam nicht unerwartet. Als im Mai 1797 der Große Rat das Ende der Republik erklärte, wurde damit auch der Ausverkauf der Kunstsammlungen eingeläutet. Dieser Prozess dauerte das gesamte 19. Jahrhundert an. Oft wurden die Kunstobjekte nicht aus wirtschaftlicher Not, sondern lediglich aufgrund des Desinteresses und der Unwissenheit der Erben verkauft. Und so stellt sich beim Betrachten der zusammengestellten Kunstwerke vor allem Wehmut darüber ein, dass auch dieses einzigartige Ensemble wieder nur von kurzer Dauer sein wird.

(Steffen Lehmann)

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