„Schillers Erben” spielen Shakespeare: Hamlet (Babette Dieterich)

01.02.03, Haus Steinstraße

William Shakespeare, Hamlet
Wiederaufnahme
Theatergruppe ?Schillers Erben?


?Der Rest ist Schweigen?

Das Dachtheater im Haus Steinstraße ist eine intime Bühne. Blaue und orange Holzstühle umrahmen die kleine Spielfläche, Holzbalken des Dachgerüstes dienen als weitere Begrenzung. Das Bühnenbild ist karg: Drei Sitzwürfel, zwei Stühle mit blauem Samtüberwurf. Die beiden Throne. Mehr braucht man nicht, um ein großes Drama aufzuführen. Da kommt schon Hamlet, gespielt von Regisseurin Claudia Roch. Nicht die einzige Hosenrolle an diesem Abend, Laertes, Horatio, Güldenstern und der Diener Osrick werden ebenfalls von Frauen gespielt.

Claudia Roch hat aus der Not eine Tugend gemacht. Wie so häufig spielen in Laientheatergruppen mehr Frauen als Männer, doch in den meisten Stücken verhält es sich umgekehrt. Wobei die Regisseurin mit der Besetzung Hamlets an eine romantische Tradition anknüpft, diesen melancholischen, zögerlichen Jüngling durch eine Frau darstellen zu lassen. Und es ist die Umkehrung der Spieltradition zu Shakespeares Zeiten, als Männer in Frauenrollen schlüpften.

Die Inszenierung wirkt traditionell. Claudia Roch nahm die ehrwürdige Übersetzung von August Wilhelm Schlegel als Textgrundlage, die Kostüme sind eher historisierend. Wohltuend sind dabei die Ausnahmen. Da wäre als erstes das Schwulenpärchen Rosenkranz und Güldenstern zu nennen, die beiden ehemaligen Schulkameraden Hamlets. Zwei schrille Paradiesvögel in bunten Klamotten, da fehlen nur noch die Handtäschchen. Sie sollen Hamlet beobachten und tun das mehr schlecht als recht unter tausend Kratzfüßen und Verbeugungen. Schön auch der Tanz Ophelias (Frauke Gränitz) mit einem blauen Schleier, als sie sich ins Wasser begibt. Eine Szene, die haften bleibt, Handlung zeigt und über das übliche Textrezitieren hinaus geht.

Überhaupt, die Teilnehmer der Gruppe fallen einem ins Auge, die nicht nur den Worten des alten Shakespeare vertrauen, sondern auch ins Spielen kommen. Sebastian Schmidt gibt einen skurrilen Polonius ab, überzeugt neben seinem komischen Spiel auch durch eine präsente Stimme und klare Aussprache. Ophelia ist am stärksten in ihren Szenen des Verrücktseins, wenn sie Knochen als Blumen verteilt. ?Der Rest ist Schweigen?, diese letzten Worte Hamlets kann man nur beherzigen. Dieser Rest jenseits der Worte ist groß und kann nicht genug ausgelotet werden. Weniger sprechen, mehr spielen, könnte die Devise lauten. Dann blitzen solche Szenen mit kleinen Gesten zwischen Hamlet und Horatio hervor, in denen jedem bewusst wird, was die beiden Männer eigentlich füreinander empfinden.

Auffällig ist auch der sparsame Einsatz von Musik in dieser Inszenierung. Vor Hamlets großem Monolog ?Sein oder Nichtsein? erklingt der Bachchoral ?Komm oh Tod, du Schlafes Bruder?, Ophelias Gang ins Wasser wird mit Mozarts Requiem untermalt. Das wirkt etwas dick aufgetragen, weil die Übereinstimmungen mit dem Inhalt zu offensichtlich sind. Nichts gegen den Einsatz von Musik, doch eine Anregung wäre, etwas freier und weniger inhaltsschwanger damit umzugehen.

Claudia Roch hat den Hamlet stark gekürzt. Vor allem gegen Ende fallen diese Kürzungen auf, die Szenen wirken ein wenig abgebrochen. Gut jedoch, dass der Auftritt des Thronfolgers Fortinbras entfällt. ?Schillers Erben? enden mit Hamlets Tod. Dass nach dem Tod des Königs ein neuer König folgt, kann sich das Publikum ja denken.

(Babette Dieterich)

Weitere Vorstellungen, jeweils 20.30 Uhr: 14.2.03 / 15.2.03 / 18.3.03

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