Theaterpremiere im Werk II: Der Club der Invaliden (Babette Dieterich)

Irgendwie sind wir doch alle Krüppel


Leipzig/E.B./DIE ?Club der Invaliden? heißt das Theaterstück von Anke Klöpsch, das am 12.02.03 im Werk II Premiere hatte. Die Werbekampagne rings um das Stück ist ziemlich professionell. Es gibt Pick-up-Karten mit dem Slogan ?Selbstmitleid für alle!?, eine eigene Homepage, www.club-der-invaliden.de, auf der man sich als neues Mitglied anmelden kann. Wer im eMail-Verteiler des Theaters ist, wurde im Vorfeld mit Infos bombardiert. Das Programm enthielt neben einem Gedicht von Rückert aus den Kindertotenliedern und einem Songtext von Dead Can Dance einen Antrag auf Mitgliedschaft. Jeder ist willkommen, jeder hat doch irgendeine Macke, oute dich und beschreibe deine Unzulänglichkeit, dann ist dir wohler.

Ist das die einzige Kernaussage des Stückes? Steh zu deiner Behinderung, jeder ist behindert, schau nicht herab auf die ?echten? Behinderten, die Blinden, Arm- und Beinlosen? Doch da widerspricht sich das Stück. Im Club der Invaliden wird sehr wohl unterschieden zwischen echter und weniger echter Behinderung, zumindest entsteht ein Streit der Clubmitglieder darüber, ob es genauso schlimm ist, an krankhaftem Optimismus zu leiden oder mit nur einem Bein durch die Welt zu humpeln. Dann wird der Begriff der Invalidität jedoch wieder ziemlich gedehnt. Neben Optimismus (liegt es am Ende an einer Gehirnoperation?) ist auch Verliebtheit krankhaft. Darunter leidet nämlich die Neue (E. Weidlich) im Club.

Was passiert bei den Clubtreffen? ?Wir machen kleine Spielchen, mit denen vertreiben wir uns die Zeit? erklärt Simon (A. Laschewski), der penetrante Opti, der Neuen. Im Turnus darf jeder sich einen Wettbewerb ausdenken, bei dem er oder sie natürlich ihr Manko am besten kaschieren kann. Die verwirrte Anne (K. Müller) inszeniert ein Wetttanzen, da steht Sven (S. Simanek) mit seinem einen Bein blöd da. Wie im echten Leben. Ist dieser Club am Ende keine heile Welt für Krüppel, sondern nur ein Zerrspiegel der Realität? Auch da bleibt das Stück unentschieden, der Club ist irgendwie beides: Refugium für Behinderte und Austragungsort für Gemeinheiten.

?Mitleid ist verboten, hier zählt Respekt?, fordert der blinde Vorstand (A. de Bruyn Ouboter). Doch auch daran halten sich nicht die Mitglieder. Und so richtig lustig geht’s auch nicht zu. Statt sich von der eigenen Behinderung abzulenken, baden sich alle im Selbstmitleid und erzählen von den Erlebnissen der vergangenen Woche, in denen ihre Behinderung wieder voll zum Tragen kam. Am Schluss gehen sie, wie sie gekommen waren, nur Marie (G. Atzpodien) bleibt zurück mit ihrer psychosomatischen Ganzkörperlähmung. Sie stand die ganze Zeit bewegungslos an der Säule, doch plötzlich kann sie die Hände bewegen. Ein angedeuteter Hoffnungsschimmer? Am Ende eine Auswirkung des Clubklimas…

Was will das Stück? Verständnis schaffen für Behinderte? Für ihr Selbstmitleid? Da tut man ihnen Unrecht. Wenn man Behinderte persönlich kennt, ist man eher überrascht über deren Selbstironie. Dieser Aspekt kommt hier jedoch gar nicht zum Tragen. So bleibt die einzige klare Botschaft: Irgendwie sind wir doch alle Krüppel. Willkommen im Club!

(Babette Dieterich)

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