Ein „Sinfoniekonzert“

J. N. Hummels Kammermusikbearbeitungen sinfonischer Werke von Mozart und Beethoven werden im Bach-Archiv gespielt

Man geht stets gern zu Konzerten in den schönen, neu restaurierten Sommersaal des Leipziger Bacharchivs, um sich dort in intimer Atmosphäre und feinem Ambiente großartiger Musik mit erlesenen Interpreten zu widmen. Dass man sich allerdings für ein „Sinfoniekonzert“ dahin begibt, dürfte eher die Ausnahme sein. Nun war selbige Ankündigung für vergangenen Mittwoch jedoch nicht etwa ein schlechter Scherz. Mit Traversflöte, Violine, Violoncello sowie einem Hammerflügel machte man sich tatsächlich daran, sinfonische Werke Mozarts und Beethovens zu Gehör zubringen, bearbeitet vom Mozartschüler (und Sargträger Beethovens!) Johann Nepomuk Hummel.

Zu Hummels Zeit heftete solchen Arrangements noch nicht der Makel der Verschlimmbesserung oder des ungebührlichen Eingriffs in ein perfekt ausgewogenes Kunstwerk an. Vielmehr stellten sie in einem Zeitalter ohne Rundfunk und CD fast die einzige Möglichkeit zur Verbreitung dieser Musik dar und förderten auf diese Weise auch die Berühmtheit des Komponisten.

Wenngleich diese sinfonischen Kondensate der Vielfalt eines großen Orchesters entbehren müssen, bleibt der inhaltliche Anspruch, die Größe und Erhabenheit der Komposition, immer noch erhalten. Und wenn dann die international so renommierten und erstklassigen Musiker Kate Clark, Simon Standage, Thomas Fritzsch und Mark Kroll am Werke sind und der Musik Leben einhauchen, verspricht das einen spannenden Abend. Und der fand zweifelsohne statt an diesem Mittwoch im Bacharchiv.

Gleich von Beginn an konnte man sich am herrlichen Klangbild des historischen Instrumentariums erfreuen. So lebendig und facettenreich mischten sich die Farben, dass man das große Orchester und seine Möglichkeiten fast nicht vermisste. Auch der Hammerflügel Mark Krolls deckte die Streicherkollegen Standage und Fritzsch sowie Flötistin Clark niemals zu, sondern alles verwob sich zu einem durchsichtigen aber homogenen Gesamtklang.

Sehr frisch, packend und spannungsgeladen musizierten die vier Künstler zunächst die Ouvertüre „Die Geschöpfe des Prometheus“. Lag es an der Natur des kleinen Raumes, dass das Stürmisch-Drängende Beethovens viel unmittelbarer und unausweichlicher, viel weniger moderat und relativierend, am Hörer wirken konnte, als das in einer großen, anonymen Konzerthalle der Fall wäre? Das punktgenaue, prägnante Zusammenspiel und die Musikalität der Interpreten trug jedenfalls ein Eigenes dazu bei.

Schon schwieriger wurde es mit Mozarts „Linzer Sinfonie“. Gehört nicht Mozart zu den ganz wenigen Komponisten, bei denen kein Ton zu viel, keine Instrumentierung zufällig oder überflüssig ist? Jedenfalls sollten hier die Nachteile einer Bearbeitung stärker in den Vordergrund treten. So hat das Hammerklavier in seiner Partie offensichtlich all das abbekommen, was anderswo übrig blieb. Ungereimtheiten häuften sich, Läufe wurden zu Ende gehastet oder mittels Pedal in ein keusches Halbdunkel gehüllt. Das Adagio wiederum klang in der Besetzung zu offen und zu irdisch, der Glanz der himmlischen Linien und zarten Bögen wollte nicht recht entstehen. Dennoch retteten die Musiker diese Mozartadaption Hummels mit einem sehr feinen Menuett und einem exzellenten Presto-Finale, in dem Mark Kroll am Hammerflügel brillierte und die drei anderen mit Wonne in die herrlichen, fugenartigen Seitenthemen einstimmten.

Nach der Pause wartete Beethovens „Schicksals-Sinfonie“. Würde aber diese Rechnung aufgehen: Der unheimliche Kosmos eines „Ta-Ta-Ta-Taaa“ in der barocken Aura des Sommersaales, musiziert von einem Quartett? Hummel sollte hier weitgehend Recht behalten!

Dramatisch, eindringlich und unerbittlich, scharf in den Gegensätzen und mit geballter Wucht brach sich das „Allegro con brio“ Bahn in den zarten Gemäuern. Alle Möglichkeiten auf der dynamischen und artikulatorischen Skala nutzend, entfachten Kate Clark, Simon Standage, Thomas Fritzsch und Mark Kroll in der tollen Durchführung wie auch in den folgenden Sätzen ein wahres Feuerwerk an Dramatik und Virtuosität. Dabei wechselte feinste Kammermusik mit rasanten Passagen und grandios-opulenten Momenten. Äußerst interessante klangliche Effekte, etwa Parallelführung der Flöte mit dem Hammerflügel, ließen ebenso aufhorchen wie der Klangsinn und die Spielfreude, mit der beispielsweise Cellist Thomas Fritzsch zu Werke ging.

Einzig im zweiten Satz, wenn sich zwischen den fein ausgearbeiteten Variationen des Themas monumental-majestätische Einwürfe in orchestraler Manier gewaltig aufzubauen suchten, konnte man das eine oder andere Schmunzeln nicht verbergen angesichts derart inszenierter Gewaltigkeit. Solche Zweifel machten die hoch virtuos und mitreißend agierenden Künstler des Abends im abschließenden Allegro aber schnell wieder vergessen und entließen das begeisterte Publikum aus einem spannenden Sinfoniekonzert im Bosehaus.

Sinfoniekonzert im Bacharchiv

Mark Kroll, Fortepiano
Simon Standage, Violine
Kate Clark, Traversflöte
Thomas Fritzsch, Violoncello

In der Bearbeitung für Pianoforte, Violine, Traversflöte und Violoncello von Johann Nepomuk Hummel:

Ludwig van Beethoven
Ouvertüre zum Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ op. 43
Wolfgang Amadeus Mozart
Sinfonie C-Dur KV 425 (Linzer Sinfonie)
Ludwig van Beethoven
Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67

Mittwoch, 19. Februar 2003, 20 Uhr, Historischer Sommersaal im Bacharchiv

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