Gescheiterte Lebensentwürfe: Marc Beckers „Margot und Hannelore” im Theaterhaus Jena (Johanna Gross)

Theaterhaus Jena, 22.02.2003

Marc Becker: Margot und Hannelore (Uraufführung: 13. Februar)

Regie: Christian von Treckow
Ausstattung: Sandra Linde, Dorien Thomsen
Musik: Sebastian Weber, Jens-Uwe Beyer
Dramaturgie: Rainald Grebe

Margot: René Marik, Sophie Basse, Frank Benz, Maximilian Grill
Hannelore: Barbara Wuster, Holger Kraft, This Maag, Ulrike Knoblauch


Gescheiterte Lebensentwürfe
Einmaliges Schachspiel um „Margot & Hannelore“

Das Sujet deutsch-deutscher Beziehungskonflikte läuft nach wie vor auf Hochkonjunktur. Während Filmregisseur Wolfgang Becker in seinem neuesten Kinofilm „Good bye Lenin“ ost-west-deutsche Prototypen und ihre Nachwendeprobleme gelungen in Szene setzt, befasst sich das jüngste Bühnenwerk des aus Bremen stammenden Bühnenautors und Regisseurs Marc Becker mit den zwei berühmtesten Poltikergattinnen des ehemals geteilten Deutschlands: Margot Honecker & Hannelore Kohl.

Inszeniert wird das groteske Gipfeltreffen zweier Prominenter, deren Biographien für klischeebehaftete deutsche Frauenmodelle stehen: Margot, die ewig Bereite für den Klassenkampf, und Hannelore, die aufopfernde Gattin und Mutter. Diese zwei im ersten Moment so unterschiedlichen, anachronistisch anmutenden Frauenrollen werden in der eigens vom Jenaer Theaterhaus in Auftrag gegebenen Dokufiktion auf einem überdimensional langen Laufsteg präsentiert. Dies geschieht indes gleich in achtfacher, männlich wie weiblich besetzter Ausführung. Das Viererpack Modell „Margot“ zeigt sich in aufreizendem, bereits etwas angeschmuddeltem Schwarz, dagegen die Models des Typs „Hannelore“ in blütenweiß reinen und schmuckbehangenen Kostümen.

Damit beginnt ein aussichtsloser Rechtfertigungskrieg gegen die eigene gespaltene Persönlichkeit, der beim Aufeinandertreffen der beiden aus der Mode gekommenen Grandes Dames in einen Schachkampf ohne Verlierer und Gewinner mündet. „Miss Bildung“, die Dogmatische, Ideologische, Zynische, Verfolgte (Maximilian Grebe mit überaus komischen Anfangssequenzen) hinterfragt im Widerstreit mit sich selbst (in alter FDJ-Manier: „Sag mir, wo ich steh!“) ihre eigene verlorengegangene Identität auf der Suche nach einer neuen Religion, die noch auf das Modell „Margot“ passen könnte.

„Glück muss man lernen.“, rechtfertigt das um ein ewiges Lächeln bemühte „Miss Heimchen“ (eine großartige Barbara Wuster ? nahezu identisch mit der realen Frau Kohl) ihr konservatives Leben vor der zweifelnden, der verbitterten und ängstlichen Hannelore. So versucht jede der Protagonistinnen ihr Lebensmodell, eingebettet in amüsante Tanzeinlagen, bestmöglichst zu verkaufen.

Beide Frauen, deren Ruhm und Stellung sich ausschließlich über die Position ihrer Gatten definieren, wagen einen lustig-satirischen, wütenden, bedauernden Blick zurück auf ihr Leben, insbesondere auf ihr Eheleben mit Erich und Helmut. Im Diskurs mit sich selbst mutieren sie unversehens zu ihren Ehemännern. Dieser Umstand drohte fast, die Inszenierung ins Grotesk-Lächerliche zu kippen, da von keinem der Schauspieler zu verlangen war, ein Talent wie Stimmenimitator Frank Bremser zu sein. Aber das finale Aufeinandertreffen der abgesetzten Königinnen macht alles wieder wett. Majestätisch beschimpfen sie sich spitz und spritzig mit den Plattitüden des ost-west-deutschen Gesellschaftskonflikts: „Der Kapitalismus ist die Ausbeutung durch den Menschen!“ „Und für den Sozialismus ist es andersrum!“. Sie bekriegen, prügeln und umarmen sich, entdecken Gemeinsamkeiten über alle Widersprüche ihrer verschiedenen Lebensläufe hinweg, bleiben jedoch beide ihrem jeweiligen Grundsatz der unterschiedlichen Ansichten treu.

So gestaltet sich ein Schluss schwierig, der Schluss von einem Spiel, das keinen Gewinner oder Verlierer kennt. Denn wessen Leben letztendlich mehr gescheitert ist, im Selbstmord oder im Exil, kann nur offen bleiben. Dementsprechend endet das gemeinsame Debütantinnentreffen der zwei gebrochenen Persönlichkeiten mit dem plumpen und zynischen Resümee: „Die Hannelore, die das Licht ausmacht.“

(Johanna Gross)

Weitere Aufführungstermine: 20.- 22. März 2003

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