Ein närrischer und zwei tolle Tage

Das dritte „Strings of Fire” – Festival startet wieder im Großen Saal des Gewandhauses

Das der nunmehr dritte Durchlauf des „Strings of Fire“-Festivals dieses Mal in die „fünfte Jahreszeit“ gefallen ist, kann reiner Zufall gewesen sein; das mindestens ein Bandprojekt die heitere Faschingsstimmung aufgreifen würde, war jedoch irgendwie abzusehen…

2003 jährt sich der Todestag von Frank Zappa zum zehnten Mal. Der kreative Kern seiner ehemaligen Band – The Mothers of Invention – faßte sich ein Herz und formierte sich neu, um dem verstorbenen Bandleader einen Tribut zu zollen. Bis hierhin scheint das weder komisch noch besonders originell; doch weit gefehlt! Es handelt sich eben nicht um irgendein Comeback versteinerter Rockopas, sondern um die Reinkarnation der „Mothers“! Freilich sind die Herren etwas betagter als ehemals; drum nennen sie sich nun „The Grandmothers“. Mit leichter Verstärkung durch Cris Garcia am Schlagzeug und Ken Rosser an der E-Gitarre traten sie vor eine eingefleischte Fangemeinde, die den großen Saal des Gewandhauses okkupiert hatte. Da trafen, wenn ich das so sagen darf, Freaks auf Freaks. Graumelierte Rockfans bestaunten ihre alten Idole und hofften auf die Möglichkeit, in nostalgischen Gefühlen schwelgen zu können; und die „Grandmothers“ wollten es noch einmal richtig krachen lassen.

Um dieses Konzert im Festivalprogramm unterbringen zu können, hatten die Festivalveranstalter der Rockband ein Kammerorchester zur Seite gestellt und es sinnigerweise „The Chamber Orchestra of Invention“ genannt; zudem wurde der musikalische Leiter der „Grandmothers“ – Don Preston – beauftragt, ein paar Stücke für diese Konstellation zu komponieren. Zwar konnten die Neukompositionen von Preston nicht an die Zappa-Originale heranreichen, dennoch darf man ihnen die gebührende Anerkennung nicht verwehren. Im zweiten Konzertteil, ohne Orchester, ließen die „Grandmothers“ dann die Zügel schießen und hatten sichtlich Spaß dabei. Noch einmal lebte der Zappa-Jazzrock-BigBand-Sound der 70er und 80er Jahre auf. Die erstaunliche Virtuosität der alten Herren dürfte wohl jeden verdutzt haben. Hut ab!

Am zweiten Festivaltag eröffneten die drei entzückenden Schwestern des „Ahn-Trios“ mit einem abwechslungsreichen Programm. Die aus Südkorea stammenden jungen Damen hielten es vor allem mit den Großen der englisch-amerikanischen „Klassik“: Michael Nyman, den Doors und den Beatles. Ein längeres Stück ihres New Yorker Freundes Kenji Bunch lag Ihnen besonders am Herzen.

Der Cellovirtuose Ernst Reijseger konzertierte anschließend mit dem senegalesischen Sänger Mola Sylla. Die sympathische Performance brachte Gegensätzliches zusammen. Der schlichte Gesang Syllas wurde von einigen clownesken Einlagen des Cellisten kontrapunktiert. So stellte dieser beispielsweise seinen Bogen senkrecht auf den Boden und rieb das Violoncello daran auf und ab; oder er malträtierte eine im Saal stehende Palme mit seinem Instrument. Ob man mit dieser Form der musikalischen Völkerverständigung zufrieden sein kann, sei dahingestellt, dem Publikum jedenfalls hat es gefallen.

Das extra für das Festival zusammengeführte osteuropäische Projekt „Zappa goes Balkan“ spielte letztendlich aus GEMA-technischen Gründen nur ein Zappa-Stück. Leider kamen die vier Musiker über eine wohlgefällige Session nicht hinaus. Zwar groovte es ordentlich, dank Stoyan Yankoulov, und sicherlich spielten die übrigen am Projekt beteiligten Musiker ganz passabel, doch zu einem organischen Ganzen fand man leider nicht. Da war angesichts der hochkarätigen Besetzung mehr zu erwarten gewesen.

Jegliche Erwartungen an das Trio „Triology“ aus Wien wurden hingegen erfüllt. Das Streichtrio war schon beim ersten „Strings of Fire“ – Festival zu Gast gewesen und avancierte dort zum Publikumsliebling. Diesmal holte man sich den Ausnahme-Gitarristen Wolfgang Muthspiel ins Boot. Mit frischen Arrangements und spritzigen Moderationen heimsten sich die vier Österreicher den wohlwollenden Applaus des Publikums ein. Die vokale Zugabe war nach eigenem Bekunden ursprünglich als Bewerbungssong für die unsägliche Sendung „Deutschland sucht den Superstar“ gedacht. Aus unerklärlichen Gründen hatte Dieter Bohlen den vier Musikern die Teilnahme versagt.

Ganz andere Töne konnte das Publikum im darauffolgenden Konzert vernehmen. Der Pianist Stephan König stellte seine Komposition „Frozen Moments“ für Streichquartett und Klavier vor. Das Konzentration erfordernde Opus überforderte offensichtlich so manchen Zuhörer. Das war schade, weil eine derartige Komposition, aufgrund ihrer Extravaganz, nur selten den Weg in einen Konzertsaal findet. Demzufolge ist es den Veranstaltern hoch anzurechnen, das Wagnis aufgenommen zu haben. Gelohnt hat es sich allemal. Trotz einiger langatmiger Passagen hatte das Werk stellenweise Meisterhaftes zu bieten. Die Komposition versucht Elemente Neuer Musik, des Jazz und historischer Musizierweisen miteinander zu verbinden und den Ausführenden Raum für Improvisationen zu schaffen. Um so erfreulicher war es, daß sich die Musiker des renommierten Leipziger Streichquartetts des Stückes annahmen.

Das Abschlußkonzert des Festivals bestritt das schwedische „Fleshquartet“ zusammen mit dem Trompeter Goran Kajfes. Der im Vorfeld mit blumigen Worten angekündigte Act enttäuschte auf ganzer Linie. Die betont „coolen“ Typen dudelten mit ihren E-Geigen und E-Celli penetrante und dilettantische Themen vor sich hin. Unterlegt wurde das Ganze mit schlappen Grooves. Das waren keine eingängigen Trip-Hop Sounds mit „stranger“ Attitüde, sondern belanglose, uninspirierte Spielereien. Von „avantgardistischen Streichersounds“ einer „lebenden Legende“, wie im Pressetext angepriesen, hat Rezensent nichts vernommen.

Das dritte „Strings of Fire“-Festival hat mit einigen überaus interessanten Formationen aufhorchen lassen und es bleibt zu hoffen, daß die Veranstalter weiterhin auf Grenzgänger und Grenzgänge setzen; auch auf die Gefahr hin, Projekte zu fördern, die scheitern können.

Donnerstag, 27.2.03, Großer Saal:

The Grandmothers (Ex-Mothers of Invention) (USA):
Don Preston – Gesang, Piano, Synthesizer
Napoleon M. Brock – Gesang, Tenorsaxophon, Querflöte
Bunk Gardner – Tenorsaxophon, Bassoon, Sopransaxophon, Querflöte
Roy Estrada – Gesang, Baßgitarre
Ken Rosser – E-Gitarre
Cris Garcia – Schlagzeug

The Chamber Orchestra of Invention (Deutschland)

Freitag, 28.2.03, Mendelssohnsaal:

Ahn-Trio (USA):
Angella Ahn – Violine
Maria Ahn – Violoncello
Lucia Ahn – Klavier

Ernst Reijseger – Violoncello (Niederlande)
Mola Sylla – Gesang, Perkussion (Senegal)

Zoltan Lantos – Violine (Ungarn)
Ateshghan Yuseinov – Tambura, Gitarre (Bulgarien)
Vladimir Volkov – Kontrabaß (Russland)
Stoyan Yankoulov – Perkussion (Bulgarien)

Samstag, 1.3.03, Mendelssohn-Saal:

Wolfgang Muthspiel – E-Gitarre (Österreich)
Triology (Österreich):
Daisy Jopling – Violine
Aleksey Igudesman – Violine
Trsitan Schulze – Violoncello

Stephan König – Klavier, Komposition (Deutschland)
Leipziger Streichquartett (Deutschland):
Andreas Seidel – Violine
Tilman Brüning – Violine
Ivo Bauer – Viola
Matthias Moosdorf – Violoncello

Goran Kajfes – Trompete (Schweden)
Fleshquartet (Schweden):
Örjan Högberg – Violine
Jonas Lindgren – Violine
Matthias Hellden – Violoncello
Sebastian Öberg – Violoncello
Christian Olsson – Schlagzeug, Gitarre

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