Laudationes und Dankesreden anläßlich des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2003 (Dajana Bajkovic, Grit Kalies)

23. März 2003, Festsaal des Alten Rathauses zu Leipzig
Laudationes und Dankesreden anläßlich des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2003

Meine Damen und Herren

Nach einer musikalischen Einstimmung durch das Lupia Quintett Leipzig, Begrüßungsworten von Dr. Frank Schmidt, sächsischer Staatssekretär für Wissenschaft und Kunst, und einer recht kommerziell gefärbten Ansprache von Dieter Schormann, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, wurde im Festsaal des Alten Rathauses zum 10. Mal der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung verliehen.

Die Preisträger 2003 waren Barbara Antkowiak, die heute zu den renommiertesten Übersetzerinnen der südslawischen Literaturen gehört (Anerkennungspreisträgerin), und Hugo Claus, der flämische Schriftsteller, Regisseur und Maler (Hauptpreisträger).

Bora Cosic, Hauptpreisträger des vergangenen Jahres, hielt in Serbisch die Laudatio auf Barbara Antkowiak, mit der ihn eine langjährige Freundschaft verbindet und die auch einige seiner Werke übersetzte. In bildhafter Sprache würdigte er die Kunst des Übersetzens bzw. Übertragens als eine eigene schöpferische literarische Angelegenheit, die so mühsam und schwierig sei, ?als überführe man ein Schiff von einem Flußniveau auf ein anderes?. Viele Schiffe unserer Sprache, so Cosic, habe Barbara Antkowiak auf ihren Händen in den See der deutschen Kultur getragen. Jahrzehntelang habe sie Bücherberge übersetzt, aus dem Bulgarischen, Serbischen, Slovenischen usw. Dabei seien die Übertragungen nie bloß wortgetreu gewesen, sondern häufig angedeutet und von symbolischer Form. Vielleicht könne man nur so, betonte Cosic zum Abschluß seiner Rede, den Ton eines Satzes, eines Buches oder des Geistes eines Menschen bewahren.

Eine schöne, witzige, auf den Punkt gebrachte und sich selbst zurücknehmende Dankesrede hielt Frau Antkowiak nach der Übergabe des Buchpreises durch den Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee. Noch letztes Jahr habe sie sich nicht träumen lassen, sozusagen die Nachfolgerin Ludvik Kunderas zu werden. Im Gegensatz zu einem Dichter sei sie lediglich eine Handwerkerin in Form einer Ich-AG, wie es heute so schön heiße, die sich mit simplen Sprachproblemen auseinander zu setzen habe. So etwa mit der tage- und nächtelangen Suche nach einem entsprechenden Wort, wie einst bei der Übertragung eines Textes von Stanislav Lem, als ein Terminus wie ?Speicherkapazität? noch nicht allgemein geläufig war.

Die Laudatio auf den Schriftsteller Hugo Claus (Jg. 1929) hielt Dr. Joachim Sartorius, Intendant der Berliner Festspiele. Von allen flämischen und niederländischen Schriftstellern sei Hugo Claus sicherlich der irdischste, der sinnlichste. Als ?furioses Multitalent?, als ?das Gegenteil eines eindimensionalen Menschen?, als ?schriller hochsensibler Dichter?, als etikettloser Autor und vielseitig-kräftiger Renaissance-Mensch sei er alles andere als ein Spezialist. Aus seinen besten Werken wehten den Leser gleichzeitig mehrere Leidenschaften an: die des Dramaturgen, des Malers, des Romanschriftstellers, des Regisseurs, des Filmemachers usw. Unbarmherzig wende er sich gegen das Duckmäusertum und die Heuchelei in der Politik, und sein Gesamtwerk – ohne zu moralisieren – stehe für den Verlust der sinnhaften Einheit der Welt.

Wegen der krankheitsbedingten Abwesenheit von Hugo Claus nahm dessen Frau den Bücherpreis entgegen. Im Anschluß verlas sie seine originelle und poetische Dankesrede in Form eines Langgedichtes:

(Auszug aus der Mitte)

Meine Damen und Herren,
ich komme aus einem Land
das seine Dichter meist anerkennt
wenn sie unter der Erde sind,
als Name einer Nebenstraße
oder als Büste
an einem verschmutzten Weiher.
Und um diesen Weiher
tanzt mit verbundenen Augen die Freiheit
tappend im Wildwuchs
der Sprache die eigensinnig
ihrer Wege geht


(Dajana Bajkovic, Grit Kalies)

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